Tödliche Nähe
bis zu den Hüften hochgeschoben hatte. Mensch, sie waren in der Kirche . Sie musste sich zusammenreißen.
»Entspann dich« , flüsterte er noch einmal und griff nach ihrer Hand. »Keiner hat uns bemerkt.«
Doch noch während er das sagte, spürte Hope plötzlich, dass sie angeschaut wurde, und erstarrte.
Der aufmerksame, interessierte Blick kam von der gegenüberliegenden Seite des Gangs.
Hope zuckte zusammen, als sie sich umdrehte und in ein ihr vertrautes Paar goldbrauner Augen sah. Allein schon der Anblick dieser Frau genügte, um auch die letzten Anflüge von Erregung und Verlegenheit in ihr zu vertreiben. Sie setzte sich gerade hin und spürte ein brennendes Gefühl in sich aufsteigen, das dieses Mal nichts mit Scham zu tun hatte.
Was zum Teufel tat sie hier?
Remy neben ihr bemerkte, dass sie sich unbehaglich fühlte – natürlich, er bemerkte immer alles. Liebevoll legte er ihr die Hand in den Nacken. »Alles in Ordnung?«
»Mir geht’s gut«, flüsterte sie zurück und lächelte matt, obwohl ihr überhaupt nicht danach zumute war.
Aber das konnte sie ihm jetzt nicht erklären.
»Was ist los?«, fragte er, sobald sie aus dem Gedränge heraus waren.
Hope schaute zu ihm auf und überlegte, was sie sagen sollte. Natürlich hatte sie während der letzten Stunde hundert Möglichkeiten im Kopf durchgespielt, aber alle wieder verworfen.
»Ich …«
»Miss Carson.«
Beim Klang der tiefen, kehligen Stimme wandte Hope den Kopf und sah in das Gesicht von – Nia Hollister.
Sie presste die Zähne aufeinander, um gegen die aufsteigende Panik anzukämpfen. Remy drückte ihre Hand.
Nia schaute zwischen beiden hin und her. »Kann ich Sie kurz sprechen? Ich … ähm, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.«
Hopes instinktive Reaktion war »Nein«, ihr zweiter Impuls Neugier.
Dann tendierte sie wieder eher zum Nein – die Angst wog einfach zu schwer. Und nach allem, was ihnen von dieser Frau angetan und vorgeworfen worden war, kam auch noch eine gehörige Portion Abscheu und Zorn hinzu. Sie hatte einen Keil zwischen Hope und ihren besten Freund getrieben, wenn auch nur für wenige Tage.
Doch letzten Endes erinnerte sie sich an ihre guten Manieren und deutete mit dem Kinn zum Marktplatz. »Also gut.« Remys Hand hielt sie fest. Vielleicht käme er auf diese Weise von selbst darauf, und sie könnte sich eine Erklärung sparen – die sie mit Sicherheit geben müsste , sollte der Groschen nicht bei ihm fallen.
Allein der Gedanke bereitete ihr Unbehagen. Schon wieder hatte sie das Gefühl, zwischen den Stühlen zu stehen – da war einerseits Laws seltsame Faszination für diese Frau, und andererseits Remy, der Bescheid wissen wollte – und es auch sollte …
Sie erschauderte, als Remy ihr die Hand auf den Rücken legte, spürte seinen bohrenden Blick und konnte aus den Augenwinkeln heraus sehen, wie er sie und Nia musterte – sie hörte es in seinem Schädel förmlich rattern.
Sein sonst so verträumter Blick aus den dunkelblauen Augen wirkte nun aufmerksam und nachdenklich zugleich. Wahrscheinlich zählte er gerade eins und eins zusammen. Im Schatten einer riesigen Eiche auf dem Marktplatz blieben sie stehen. Nia kam direkt zur Sache, das musste Hope ihr lassen.
»Ich möchte mich dringend bei Ihnen entschuldigen«, wiederholte Nia mit ruhiger Stimme und unbeirrtem Blick, und obwohl sie leicht rot wurde, machte sie dennoch einen gelassenen Eindruck. Zu gelassen für Hopes Geschmack. »Ich weiß, meine Aktion war unverzeihlich, aber ich möchte Sie trotzdem um Verzeihung bitten. Es tut mir leid.«
Stand da dieselbe Frau vor ihr, die noch vor einigen Monaten in Laws Hausflur eine Waffe auf sie gerichtet hatte und kurz vorm Ausflippen gewesen war?
Hope holte tief Luft und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »In Ordnung.«
»Einfach so? In Ordnung?«
Hope schmunzelte. »Ja. Okay. Deswegen werde ich Sie ja noch lange nicht zum Kaffeekränzchen zu mir einladen.« Dann runzelte sie die Stirn. »Äh … Sie bleiben nicht mehr lange hier, oder?«
»Ich fürchte doch.« Nia senkte den Blick, und ihre Maske, die sie so unbeteiligt wirken ließ, begann zu bröckeln. Als sie schließlich wieder zu Hope aufschaute, lag etwas anderes in ihren Augen – etwas Echtes, das Hope beinahe nachempfinden konnte. »Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde Sie nicht mehr belästigen.«
»Und was ist mit Law?«
Erneut senkte Nia den Blick. »Law hat auch nichts mehr von mir zu befürchten. Darauf gebe ich
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