Tödliche Nähe
nicht daran denken, nicht an sie. Und nicht an ihr Versprechen, das Ganze nachzuholen.
Hope schmunzelte. »Du bezahlst mir ein Festgehalt – wann ich den Kram erledige, ist egal. Hauptsache, es wird gemacht. Die Arbeit stapelt sich gerade, schließlich wird in ein paar Wochen ein neues Buch von dir veröffentlicht, und dann steht bei dir noch ein Abgabetermin an. Ich wollte mich mal um die Mails und die ganze Post kümmern.«
Verdammt, das Buch. Das hätte er beinahe vergessen. Was zur Hölle war denn nur los?
Schweiß rann ihm den Rücken hinunter, aber die Anspannung, die er beim Joggen hatte loswerden wollen, war noch da und es brodelte in ihm wie in einem Vulkan. Er schob das Kinn vor und betrachtete die Papierberge, die Hope bereits um sich herum aufgetürmt hatte – das würde eine längere Sitzung werden. »Bist du gar nicht mit deinem schicken Anwalt verabredet?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Nö. Er musste irgendwohin, und ich wollte nicht allein in der Wohnung herumhängen.« Sie zog eine Augenbraue hoch. »Hast du ein Problem damit?«
Verdammt!
Seufzend rieb sich Law den Nacken. »Gar nicht. Ich bin nur … na ja. Nervös. Gestresst. Zerstreut.«
»Motzig?«, schlug sie hilfsbereit vor.
Er ächzte. »Ich gehe eben duschen und setze mich dann an den Schreibtisch. Du kannst in der Zeit anstellen, was immer du willst.«
»Hmmm.« Hope hatte sich schon wieder ihren Papierstapeln zugewandt. Er wusste nicht einmal genau, worum es sich dabei im Einzelnen handelte. Ihm war klar, was sie tat – theoretisch. Jahrelang hatte er sich selbst um diesen Kram gekümmert, aber seit sie all die Pflichten erledigte, die das Autorendasein so mit sich brachte, war sein Leben erheblich einfacher. Sie hatte die Abläufe optimiert, sodass er an vieles gar keine Gedanken mehr verschwenden musste.
Ihm graute bereits vor dem Tag, an dem er sie verlieren würde. Er fürchtete regelrecht, dass es so kommen könnte. Würde Remy wollen, dass sie mit der Arbeit bei ihm aufhörte? Er wüsste zwar nicht, warum, aber trotzdem. Außerdem war es einfacher, darüber nachzudenken, als über den ganzen anderen Mist, der ihm durch den Kopf spukte.
Zum Beispiel Nia – und ihr Versprechen.
Verdammt!
Tags zuvor hatte er beschlossen, nicht mehr an sie zu denken. Das würde er sich nicht antun. Nein, nicht jetzt. Solange er seine Gefühle nicht in den Griff bekam und wusste, wie er mit der ganzen Sache umgehen sollte, konnte er es wirklich nicht gebrauchen, an sie zu denken – vor allem, wenn er so angespannt war wie im Moment.
Denn dann war die Gefahr zu groß, dass er zurück ins Hotel marschierte und beendete, was sie angefangen hatten. Verdammte Axt! Irgendwann kam man an einen Punkt, an dem kalte Duschen, Disziplin und selbst der gute alte Handbetrieb nicht mehr halfen.
Law hatte diesen Punkt schon längst erreicht.
Der Albtraum kam.
In der niedlichen, kleinen Hütte, in einem Bett, das viel weicher war als alles, was ein Zwei-Sterne-Hotel – selbst eine nette, privat betriebene Pension – zu bieten hatte, suchte er sie heim.
Man hielt sie im Wald gefangen.
Nia rannte … Aber sie war nicht mehr Nia. Vielleicht Joely?
Sie konnte es nicht genau sagen, wusste lediglich, dass sie Angst hatte – Todesangst. Und sie spürte Verzweiflung, wollte nur noch aus diesem Albtraum entkommen, der sie zu verfolgen schien, wollte weg von diesem personifizierten Bösen.
Er lachte und verhöhnte sie.
Sie verspürte starke Schmerzen.
Das Böse schüttelte sie, biss sie, trieb seine Klauen in sie hinein – umgab sie voll und ganz.
Aber schlimmer noch war diese Angst und die Gewissheit:
Sie würde das hier nicht überleben.
Sie wusste es. Er würde sie töten.
»Großer Gott!«
Nia fuhr hoch und rang nach Luft.
Sie wühlte sich aus den Laken. Kalter Schweiß ließ sie frösteln, und ihr kamen die Tränen. Sie hatte die peitschenden Zweige förmlich auf der Haut spüren können, während sie im Traum durch den Wald gehetzt war.
Scheiße, scheiße, scheiße, scheiße!
Nia rieb sich die Augen, schluckte schwer und versuchte, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Es war nur ein Traum gewesen … nur ein Traum … nicht mehr.
Nun würde sie sicher nicht mehr einschlafen können. Fest entschlossen, den Albtraum zu verdrängen, ging Nia zur Kommode mit ihrer spärlichen Garderobe herüber. Viel Auswahl gab es nicht, aber sie hatte alles dabei, was sie brauchte – inklusive Sportsachen.
Sie musste einfach nur laufen gehen und
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