Tödliche Nähe
regelrecht zu ersticken drohte. »Könnte sein, aber du glaubst es nicht.«
»Nein, ich glaube es nicht.«
Sie schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Wand. »Du hast mich davor gewarnt, dass ich Albträume bekommen würde. Deswegen wolltest du nicht, dass ich nachsehe.« Sie schluckte schwer und öffnete die Augen gerade weit genug, um ihn ansehen zu können. »Hätte ich doch bloß auf dich gehört. Ich möchte diese Bilder nicht in meinem Kopf haben. Ich würde alles dafür geben, sie wieder loszuwerden.«
»Ich weiß, was du meinst. Doch jetzt haben sie sich festgesetzt. Das gilt wohl für uns beide.« Er umfasste einen ihrer Knöchel und massierte ihr den Fuß. »Vielleicht … keine Ahnung. Vielleicht hätte ich dir grob umreißen sollen, was ich gesehen habe. Das wäre möglicherweise schon ausreichend gewesen.«
»Nein.« Sie hatte die Augen wieder geschlossen. »Ich hätte trotzdem versucht, nachzusehen, und mich von nichts und niemandem davon abbringen lassen. Ich kann es nicht ausstehen, wenn jemand mich beschützen und mir etwas vorenthalten möchte. Selbst wenn es das Beste für mich wäre.«
Sie lächelte schwach. »Hätte ich doch bloß zugelassen, dass du es mir vorenthältst, Law.«
»Es tut mir leid.«
Drückende Stille senkte sich über sie, auch wenn die Atmosphäre nicht mehr so angespannt war. Sie seufzte, als er mit dem Daumen über ihren Spann fuhr und dann ihren Ballen massierte. Als er den Fuß schließlich absetzte, streckte sie ihm sofort den anderen entgegen. »Ich hätte dich nicht so anschnauzen sollen«, sagte sie kleinlaut. »Erst jetzt habe ich kapiert, warum du mich das nicht sehen lassen wolltest.«
Law schwieg.
»Ich bin bloß … verdammt. Ich komme eben nicht so gut damit klar, wenn mich jemand umsorgt und für mich entscheidet, was ich aushalte und was nicht.«
»Es geht hier nicht ums Aushalten«, antwortete er und warf ihr einen kurzen Blick zu. »So langsam fange ich an, zu glauben, dass es nichts gibt, was du nicht aushältst. Der Punkt ist ein anderer. Warum solltest du dich mit diesem Wissen belasten? Ich hätte das Ganze am liebsten gar nicht gesehen. Ezra muss es – das ist sein Job, aber du und ich …?«
Seufzend schüttelte er den Kopf. »Ich hatte nicht vor, dich zu bemuttern. Du würdest jeden, der das auch nur versucht, einen ganzen Kopf kürzer machen. Ich aber wollte nur helfen.«
»Ich weiß.« Sie beugte sich vor und nahm seine Hand.
»Und es tut mir leid«, fuhr sie fort und schaute ihm dabei in die Augen.
»Ist schon in Ordnung.«
Sie drückte ihm kurz die Hand und lächelte ihn an. »Nein, das ist es nicht. Aber wenigstens erträgst du mein Rumgezicke … auch wenn ich immer noch nicht verstehe, warum.« Seufzend schloss sie die Augen, nur um sie gleich wieder aufzureißen. »Verdammt noch mal – ich werde es wohl jedes Mal vor mir sehen, wenn ich die Augen zumache. Am liebsten würde ich alles einfach verdrängen, aber dann setzt meine Fantasie ein, und ich frage mich sofort wieder: Was hat er mit all diesen Sachen angestellt …? «
»Du musst aufhören, darüber nachzudenken«, sagte Law. »Das macht dich nur wahnsinnig.«
»Schon passiert.«
»Warum kommst du nicht zu mir ins Bett?« Er legte ihr eine Hand aufs Knie. »Ruh dich ein wenig aus.«
»Ich kann nicht schlafen, wenn mir solche Sachen durch den Kopf geistern, und im Moment kann ich an nichts anderes denken.«
Sie wollte die Hände vors Gesicht heben, hielt jedoch inne, als sie bemerkte, wie sehr diese zitterten. Sie lachte laut auf.
»Großer Gott, ich sehe es die ganze Zeit über vor mir. Warum habe ich bloß nachgeschaut?«, flüsterte sie, schaute an ihm vorbei zum Handy und erschauderte, als sie abermals das Bild vor Augen hatte. Warum nur …
Eilig wandte sie den Blick ab und schaute zu Law. Sein Haar war immer noch feucht vom Duschen und wirkte dunkler als sonst. Zudem hatte er sich frisch rasiert. Er roch nach Seife, Zahnpasta … und nach Law.
Sie ließ sich nach vorn auf die Knie sinken und setzte sich rittlings auf seinen Schoß. »Mit diesem Bild im Kopf kann ich nicht einschlafen. Es soll verschwinden. Kannst du es nicht vertreiben, Law? Bitte sorg dafür, dass ich etwas anderes vor Augen habe.«
In ihrem Blick lag ein Ausdruck der Verzweiflung … ein Ausdruck nackten Entsetzens …
Hätte er auch nur einen Funken Anstand besessen, wäre er aufgestanden, um eine Flasche Whisky zu holen, und hätte sie im Arm gehalten, bis sie eingeschlafen wäre,
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