Toedliche Offenbarung
zurück nach Burgdorf zu fahren. Vielleicht mit einem Umweg über die Imbissbude.
Er ist gerade auf dem Weg zu seinem Wagen, als er die Menschentraube vor der riesigen Eibe bemerkt. Neugierig nähert er sich dem Baum.
»Was gibt es denn?«
»Da hinten, da liegt einer.« Eine Frau um die dreißig fuchtelt mit ihrer Krücke herum und deutet auf die Hausmauer. Sie ist sichtlich erleichtert, einen uniformierten Polizisten zu sehen und stammelt: »Ich wollte hier draußen eine rauchen. Mein Feuerzeug ist runtergefallen. Als ich mich danach gebückt habe, da …«
Borgfeld schiebt die Äste zur Seite. Die 88 auf dem Rücken kommt ihm sehr bekannt vor. Der Kerl hat sich versteckt. Dieses Arschloch! Kein Wunder, dass er ihn vorhin nicht gesehen hat. Borgfeld bückt sich unter den Zweigen durch und nähert sich dem reglos daliegenden Körper. Will der ihn immer noch verarschen?
»Steh auf.« Der Befehlston von Borgfeld würde Tote auferstehen lassen. Aber nicht die 88.
»Polizei, steh auf! Das Spiel ist vorbei!«
Keine Reaktion. Borgfeld zögert. Ob der Kerl das Messer unter dem Bauch versteckt hat?
»Los, aufstehen, aber dalli!«
»Der ist tot«, ruft ein Mann mit Gipsbein und Krücken, der sich nach vorne durchgedrängelt hat. »Das sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock.«
»Gehen Sie näher hin«, drängt ihn einer mit Kopfverband.
Borgfeld fühlt sich nicht wohl in seiner Haut, trotzdem macht er einen weiteren Schritt, dann noch einen. Jetzt ist er nur noch einen halben Meter entfernt.
»Steh auf!« Als keine Reaktion erfolgt, stupst er schließlich das Bein der 88 mit seinen Füßen an. Der Junge reagiert nicht. Borgfeld nimmt seinen Mut zusammen, beugt sich zu ihm hinunter und greift entschlossen nach den Armen. Sie sind schlaff.
Borgfeld ist irritiert. Gerade ist der Kerl doch quicklebendig vor ihm weggelaufen. Als er den Körper umdreht, begreift er endlich.
35
Müde und erschöpft sitzen sie Stunden später um den Tisch in der Burgdorfer Polizeiinspektion. An den Tafeln kleben noch die Fotos von Felix. Die rote Eddingskizze vom Vortag leuchtet unverändert an ihrem Platz.
»Der Fahrer des Pick-ups war sofort tot. Haben wir seinen genauen Namen?«, fragt Beckmann in die Runde.
»Dennis Matuschenko, genannt Matusch, zwanzig Jahre alt. Kollege Rischmüller hat alles per Mail geschickt«, rattert Streuwald herunter. »Aufgewachsen ist er in Vahrenheide, später Umzug nach Linden. Hauptschulabschluss, abgebrochene Lehre zum Automechaniker. So wie es aussieht, ging er keiner Schlägerei aus dem Weg, ganz besonders nicht mit Ausländern. Dieser Matuschenko kam immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt, seine Strafakte ist umfangreich. Bei der letzten Anklage war Wörstein sein Verteidiger. Der hat ihn freigeboxt. Seitdem ist der Junge nicht mehr auffällig geworden. Er scheint zum engen Kreis von Wörstein gehört zu haben.
»Und der Junge unter dem Baum am Krankenhaus?«
»Sein Name ist Kevin Fischer. Überlebt hat er. Fragt sich nur wie. Zum Glück lag er ja direkt neben dem Krankenhaus, da war der Weg zur ersten Hilfe kurz. Er hatte Glück im Unglück, meinte der Arzt. Sein Zungenbein oder wie das heißt ist nicht gebrochen. Dann wäre er hinüber gewesen. Ohne Wenn und Aber. Auf jeden Fall wurde er so stark gewürgt, dass er das Bewusstsein verloren hat – und zwar ziemlich lange. Da ist die Sauerstoffzufuhr im Gehirn ziemlich eingeschränkt, meinte dieser Doktor Schnippkoweit. Das kann zu nachhaltigen Schäden führen. Ganze Hirnareale könnten davon betroffen sein. Das wiederum kann zu neurologischen Ausfällen führen. Die haben im Krankenhaus schon ein paar Tests mit ihm gemacht. Fest steht nur, dass er sich an nichts erinnern kann.«
»Vielleicht ist es auch nur eine hilfreiche Amnesie.«, brummt Borgfeld. »Schließlich hat er es auch geschafft, Matusch zu täuschen.«
»Wenn er die Ohnmacht vorgetäuscht hätte, wäre er ja wohl weggelaufen, oder?«, kontert Beckmann. »Und wenn er die Amnesie vorspielt, müsste er ziemlich gewieft sein. Was wissen wir denn über diesen Kevin Fischer?«
»Kevin Fischer ist wohnhaft in Burgdorf – bislang ist er nicht aktenkundig. Früher hat er in Heeßel Fußball gespielt. Zusammen mit Felix. Da habe ich ihn in der Mannschaft gehabt. Das war damals ein lieber Kerl, allerdings ziemlich unzuverlässig. Der hatte jede Menge Probleme zuhause.« Ein Trainer kennt schließlich seine Pappenheimer. »Ansonsten habe ich keine Ahnung, wie Kevin zu der
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