Toedliche Offenbarung
Gang. Wieder knirscht das Getriebe.
»Los, ihr Idioten, fahrt gefälligst schneller. Heute wird früher gegessen«, brüllt er Richtung Vordermann. Alles ist immer nach Plan gelaufen – und jetzt dieser Scheiß!
Kurz vor Westercelle bemerkt Matusch das Flackern eines Blaulichts im Rückspiegel. Wenig später taucht von links ein zweiter Streifenwagen auf. Er drückt das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Aus dem Augenwinkel sieht er, dass von rechts noch ein Polizeiwagen mit Blaulicht dazukommt. Verdammt!
Vor ihm stauen sich die Autos. Er zieht das Lenkrad nach rechts und fährt über die Rechtsabbiegespur und den Fahrradweg an der Kolonne vorbei. An der Verkehrsinsel der Kreuzung schneidet er das anfahrende Auto und setzt sich an die Spitze der Fahrzeuge. Sein Herz schlägt schneller. Die Wichser kriegen ihn nicht, dazu ist er viel zu schlau.
Endlich hat er die Ausbaustrecke der Bundesstraße erreicht, links und rechts der Straße saust er an den Stämmen der Kiefern und Fichten vorbei. Gerade als er den Lastwagen vor ihm überholen will, verengen sich seine beiden Fahrbahnen zu einer, während sich die auf der entgegenkommenden Seite verdoppelt. Matusch bremst auf den zur Warnung gesetzten Querstreifen ab und quetscht sich zwischen zwei LKWs. Er erntet ein donnerndes Hupen. Ein Blick in den Seitenspiegel zeigt ihm, dass die Blaulichter näher kommen. Jetzt sind es schon vier. Wütend schlägt er aufs Lenkrad. Diese verdammten Laster, können die nicht Platz machen? Wenn er weiter hinter denen bleibt, wird das nie was.
Matusch starrt nach vorne. Auf der entgegengesetzten doppelspurigen Trasse kriechen die Lastwagen auf der rechten Fahrbahn. Die Überholspur ist frei.
Matusch ignoriert die beiden durchgezogenen weißen Linien, zieht den Lenker nach links und setzt zum Überholen an. Scheiße, der Laster hat einen Anhänger. Das G auf dem blauen Untergrund grinst ihn breit an. Sein Gaspedal ist bis zum Anschlag durchgetreten. Nur noch ein paar Meter, dann hat er es geschafft. In diesem Moment schert ein LKW aus der ihm entgegenkommenden Kolonne aus, um zu überholen. Als der Fahrer den grünen Pick-up auf sich zurasen sieht, flucht er und reißt das Steuer herum, um wieder zurück auf seine Fahrbahn zu kommen. Matusch versucht das Gleiche, doch das Gespann mit dem G versperrt ihm den Weg zurück. Matusch tritt auf die Bremse, sein Wagen schlingert. Die breite Front des Lastwagens scheint auf ihn zuzufliegen.
»Los, geh wieder in deine Spur«, schreit Matusch.
Zu spät. Die Spitze des Pick-ups bohrt sich mit einem ohrenbetäubenden Knall in den unteren Teil des Führerhauses. Das Letzte, was Matusch hört, ist das laute Knirschen von Metall.
Als Beckmann von der B3 auf die zur Autobahn ausgebaute Teilstrecke geleitet wird, kreist über ihm der Rettungshubschrauber. Wenige Minuten danach leuchten die Warnblinklichter der ihm vorausfahrenden Fahrzeuge. Stau wegen Unfalls. Gerade als sein Wagen zum Stehen kommt, meldet der Verkehrsfunk: Vollsperrung der Bundesstraße.
34
»Diese Trixi hat vielleicht einen Schlag«, murmelt Borgfeld anerkennend, als der verletzte Müller blutüberströmt in der Notfallambulanz eingeliefert wird. Seine Frau hätte nie die Geistesgegenwärtigkeit, so etwas zu tun. Oder? Sind Frauen vielleicht gewalttätiger, als man manchmal glaubt? Borgfelds Kopf raucht und sein Magen knurrt. Wo soll er denn hier bitte schön Karotten her bekommen?
In diesem Moment läuft die Krankenschwester, die den Alarm wegen Felix ausgelöst hat, im Stechschritt an ihm vorbei.
»Hallo«, spricht er sie an. »Ich …«
»Tut mir leid.« Sie zeigt auf das Schwesternzimmer. »Ich muss ganz dringend in den Aufwachraum. Danach habe ich Zeit.«
»Was ist mit …?«
Den letzten Satz hört sie schon nicht mehr.
Immerhin hat Borgfeld von ihrer Kollegin in der Zwischenzeit herausbekommen, dass Felix nur ein paar Druckstellen am Hals davongetragen hat. Herbert Müller hat es schlimmer erwischt. Ihn operieren die Unfallchirurgen immer noch. Trixis Hieb mit dem Adler hat bei ihm mehr als nur ein Hirn-Schädel-Trauma verursacht: Die Flügelspitzen des Adlers haben sich an zwei Stellen regelrecht in den Schädelknochen gebohrt, allerdings nicht tief.
Die Operation des Trümmerbruchs an seinem rechten Ellenbogen ist komplizierter. Der Granitsockel hat ihn mit voller Wucht getroffen und den Knochen zerschmettert.
Da hier alle ärztlich versorgt sind und der Mörder auf der Flucht ist, beschließt Borgfeld,
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