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Toedliche Offenbarung

Titel: Toedliche Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Kuhnert
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vorneweg.
    Die von der Schulungsleitung wollten, dass wir uns noch für die SS oder zumindest für den Fronteinsatz melden. Deutschland braucht uns jetzt. Kaum daheim, bin ich mit glänzenden Augen zu meiner Mutter gerannt: »Morgen melde ich mich freiwillig für die Frontausbildung. Der Lehrer hat gesagt: Jeder Deutsche muss seinen Mann stehen. Auch ich.«
    Da hat sie mir links und rechts eine runtergehauen und mir verboten, am Sonntag wieder dort hinzugehen. Also habe ich den ganzen Tag im Haus zugebracht. Wenn man krank ist, kann man schließlich nicht nach draußen gehen. Vor allem wollte ich nicht, dass der Herbert Müller mich sieht. Herbert war damals der, auf den alle hörten. Das Idol aller: groß gewachsen, kräftig, blond. Nicht einmal das mächtige rote Feuermal auf seiner Wange störte jemanden. Herbert war mit Feuereifer im Bannausbildungslager dabei und durfte an jenem Sonntag sogar auf den Feuergefechtsstand der Flak. An dem Tag gab es den ersten und einzigen Einsatz der Flak in Celle – und Herbert mittendrin. Wie habe ich ihn beneidet!
    Ja, an den Bombenalarm kann ich mich erinnern. Als die Sirenen heulten, bin ich mit meinem kleinen Bruder in den Keller gerannt. Es hörte sich da unten an, als ob alle Häuser um uns herum einstürzen würden. Später sind wir wieder in die Wohnung hochgegangen. Da oben sah es vielleicht aus. Keine Türen mehr im Rahmen, alle Fensterscheiben zersplittert. Überall Scherben, sogar auf dem Herd. Da bin ich nämlich als Erstes hingelaufen. Bevor es den Alarm gegeben hatte, hatte ich gerade Bratkartoffeln und Koteletts gebraten. Das sollte eine Überraschung für meine Mutter werden, wenn sie vom Einkaufen kam. Hätte ich das bloß gelassen! Das ganze Essen war mit kleinen Glasscherben übersät.
    Und dann stand da plötzlich dieser Mann. Er kam aus dem Elternschlafzimmer, der war völlig ausgemergelt, nur Haut und Knochen. Die blaugrau gestreifte Sträflingskleidung schlabberte an seinem dürren Körper, er war völlig verdreckt und stank. Dann zeigte er auf meinen Bruder: »Ich auch so ein kleinen Jungen zu Hause.« Dabei hielt er sich am Tisch fest.
    »Bitte, helfen mir«, flüsterte er mit schwacher Stimme. »Hunger.«
    Mutter gab ihm dann eine alte Hose und ein abgetragenes Hemd meines Vaters. Sie hat ihm auch die Koteletts und die Bratkartoffeln in der Pfanne hingehalten. Wir hätten das mit den Scherben sowieso nicht gegessen, aber der hat sich wie ein Tier draufgestürzt und alles innerhalb weniger Minuten in sich reingeschlungen, sogar die Glassplitter. Zum Abschied drehte er sich um, lächelte uns an und murmelte: »Danke.«
    Nein, Angst hatte ich nicht vor ihm. Eine Waffe hatte er auch nicht. Aber er zitterte die ganze Zeit.
     

41
     
    Borgfeld wählt Sonjas Nummer. Besetzt. Verdammt, kann die nicht rangehen? Erst macht sie die Pferde scheu, alles ist ganz dringend – und dann telefoniert sie. Beim dritten Versuch klappt es endlich.
    Kaum hört Sonja seine Stimme, jammert sie: »Felix ist verschwunden.« Sie bricht in Tränen aus und stammelt zusammenhangslose Sätze.
    »Wer ist Felix?«, unterbricht Borgfeld sie.
    »Papa, das ist doch egal. Felix und ich …«
    Borgfeld versteht nichts und lässt sich alles zweimal wiederholen, bis er begreift.
    »Was hat der auf diesem Grundstück zu suchen?«, brüllt er schließlich ins Telefon. »Das ist Hausfriedensbruch. Mit diesen Leuten ist nicht gut Kirschen essen.«
    Borgfelds Adrenalinspiegel springt nach oben. Ich fasse es nicht, hämmert es in seinem Kopf. Spielen diese Grünschnäbel Räuber und Gendarm mit den Rechten. Dass die »Aufrechten Deutschen« in dem alten Landschulheim ein paar Kilometer hinter dem Segelflughafen ihr Schulungszentrum aufmachen wollen, beunruhigt Borgfeld seit Langem. Nicht wegen deren politischer Ausrichtung. Die ist ihm eigentlich egal. Er hat sich nie für Politik interessiert. Aber wenn er etwas hasst, dann sind es Probleme in seinem Bezirk – und das sieht ganz nach Problemen aus.
    »Was habt ihr euch dabei gedacht, verdammt noch mal?«
    »Morgen sollen die Mahnwachen losgehen. Felix wollte das Gelände auskundschaften und Fotos machen.« Sie schluchzt laut in den Hörer. »Und jetzt ist er weg.«
    »Vielleicht macht er sich einen netten Nachmittag am See.« »Aber sein Fahrrad ist doch da.« »Wo?«
    »Hinter dem Busch an der Zufahrt zum Landschulheim. Und von da hörte ich die Schüsse.« Ihre Stimme überschlägt sich.
    »Papa, wir müssen ihn dort suchen. Mit

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