Toedliche Offenbarung
genommenen in Schach, die anderen suchten nach weiteren. Später wurden sie zum Sportplatz am Neustädter Holz gebracht. Dort war eine Art Sammelstelle.
Mehr weiß ich auch nicht.
Ob ich die Nacht über draußen auf der Flakstellung war? Ja, aber ich habe nichts gesehen, es war kühl und wir haben uns in einem Erdloch verkrochen. War ja erst April.
Adalbert Messerschmidt
Haben Sie immer noch nicht genug von diesem Bombenangriff, Mädchen, Mädchen. Nun setzen Sie sich, meine Frau brüht uns einen Kaffee auf. Ich habe nachgedacht. Dieser Güterzug mit den Häftlingen stand auf Gleis 9. Der Zug war ziemlich lang und wurde von der SS bewacht. Nach dem Angriff war der erste Teil des Güterzuges schwer lädiert. Die in den Häftlingssachen rannten hin und her. Einige sammelten sich an der Wand des Bahnhofsgebäudes. Andere versuchten, sich in Sicherheit zu bringen.
Ob auf sie geschossen wurde?
Na, Sie stellen Fragen. Die Amis schmeißen denen Bomben auf den Zug und Sie fragen mich, ob auf sie geschossen wurde? Das war eine riesige Knallerei, schließlich ist der Munitionszug getroffen worden, Benzin brannte aus, das Gaswerk war explodiert.
Nachtsüber gab es ein paar Schüsse. Stimmt. Die SS versuchte, die Gefangenen zusammenzutreiben.
Ja, Polizisten waren auch beim Bahnhof unterwegs. Der Volkssturm ebenfalls. Die mussten doch in diesem Chaos nach dem Rechten sehen und sich um die Organisation der Hilfsmaßnahmen kümmern. Überall lagen Verletzte und Tote. Die wollten versorgt werden.
Erschießungen von Gefangenen? Ach, Fräulein, Sie sollten nicht alles glauben, was da so gesagt wird. Die Engländer waren nach Kriegsende ganz scharf darauf, dem einen oder anderen etwas anzuhängen, aber da ist nicht viel bei rausgekommen. Hier wurde nur von der SS geschossen. Wir Celler hatten damit nichts zu tun. Deshalb gab es ja die Freisprüche in dem Gerichtsverfahren. Unschön war dieser Prozess trotzdem, all die Verdächtigungen – das ist nicht gut für eine Kleinstadt.
Jetzt muss ich Sie leider verabschieden, ich will noch in den Garten, bin da verabredet. Auf Wiedersehen.
Friedrich Bollund
Können Sie die Dinge nicht ruhen lassen, müssen Sie da im Dreck wühlen?
So, so, die Polizei war nach dem Angriff auf dem Güterbahnhof – hat Ihnen jemand erzählt. Natürlich war die Polizei da, jemand musste doch bei dem Durcheinander für Recht und Ordnung sorgen.
Nein, wir haben nicht auf Gefangene geschossen. Wer sagt so etwas?
Die Engländer wollten uns das auch schon anhängen, aber dafür gibt es keine Beweise, überhaupt keine. Üble Nachrede ist das. Die olle Willmer aus der Fuhrberger Straße, die trumpfte vor Gericht groß gegen mich auf – und was ist übrig geblieben? Nichts. Eins auswischen wollte sie mir, weil ich ihren Mann wegen Wilderns vor Gericht gebracht habe.
So, und jetzt ist erst mal Schluss, die alten Sachen stehen mir bis hier.
57
Trixi wählt Borgfelds Nummer. Nach dem ersten Freizeichen ist Borgfeld schon in der Leitung.
»Ich habe wichtige Neuigkeiten.« Trixi senkt ihre Stimme verschwörerisch. »Ich komme von … meinem Informanten.«
Martha hätte sie natürlich erzählt, dass sie Jean Claude im Friseursalon abgepasst hat, aber Borgfeld würde sie den Namen nicht preisgeben.
»Broderich hat Goldmann erpresst.« Endlich ist es heraus.
Borgfeld, immer noch dem Nissan nachsehend, braucht eine Weile, bis er versteht.
»Wie bitte? Goldmann wurde von Broderich erpresst?«
»Genau. Ich dachte, das würde Sie interessieren.«
Endlich ein Motiv. Dazu der Golfball. Vielleicht ist das der schnelle Durchbruch im Mordfall.
»Womit erpresst er ihn denn?«, setzt Borgfeld eilig hinterher.
»Goldmann sollte Broderich Geld zahlen, damit dieser positive Kommentare für die Golfplatzerweiterung in den Blog stellt und das Internetforum Bürger gegen Golf anschließend auflöst.«
»Von wem wissen Sie das?«
»Mein Informant …«
In diesem Moment meint Borgfeld Beckmanns Auto in der Ferne ausmachen zu können.
»Wir sind gerade in einem wichtigen Einsatz. Ich melde mich später.«
Entgeistert lauscht Trixi dem Tuten der unterbrochenen Verbindung. Was ist heute bloß los? Sie klappt ihr Handy zusammen. Interessiert denn niemanden, was sie herausgefunden hat?
58
Clara Rosenthal hat keine wahllosen Interviews geführt. Das wird Martha immer klarer. Diese Frau hat mit ihrer Befragung ein Ziel verfolgt. Nur welches?
Martha schaut auf ihre Armbanduhr. Es geht auf halb
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