Toedliche Offenbarung
Grünzeug. Ganz in der Nähe stehen Bäume. Kiefern und Birken. Die Wipfel bewegen sich im Sommerwind. Weiter weg entdeckt er einen Hochsitz. Wieder hört Felix das rhythmische Schlagen. Da muss jemand sein. Vielleicht ein Förster mit seinen Arbeitern?
Felix sucht seine Umgebung mit den Augen ab. Es ist niemand zu sehen. Wieder hämmert es. Die Geräusche kommen von oben, ist er sich plötzlich sicher. Sein Blick wandert hoch und er entdeckt den Specht, der mit der Schnabelspitze den Stamm einer Kiefer bearbeitet. Ein hilfsbereiter Holzfäller wäre ihm lieber gewesen.
Wieder ein Donner in der Ferne. Vielleicht gibt es gleich ein Gewitter. Felix schaut nach oben. Seltsam, der Himmel ist blau und wolkenlos.
Mittlerweile ist die Sonne weiter gewandert und knallt auf sein Gesicht. Felix’ Lippen sind trocken und spannen, seine Zunge klebt am Gaumen. Was macht er hier auf dem Boden mitten im Heidekraut? Jegliche Erinnerung an die letzten Stunden ist weggewischt. Dafür verspürt er Durst. Riesigen Durst. Hunger auch, aber der ist nicht so schlimm wie die quälende Trockenheit im Mund. Seine Zunge fühlt sich pelzig an, Kopfschmerzen pochen hinter seinen Schläfen. Dehydriert, du bist völlig dehydriert. Das hat sein alter Fußballtrainer immer gesagt. Mit hochrotem Kopf blökte der nach dem Training in die Umkleidekabine: »Trinkt gefälligst was, sonst dehydriert ihr.« Immerhin erinnert er sich an etwas. Er ist Felix Rinsing. Er ist achtzehn Jahre alt. Er kommt in die 13. Klasse. Er ist dehydriert. Dehydriert. Das Wort schwappt wie ein voller Eimer Wasser über ihm hin und her.
Felix lauscht angestrengt. Kein Mensch ist zu hören. Gedämpftes Vogelgezwitscher. Erneut ein Donner. Wenig später noch einer. Dazwischen surren Mücken, krabbeln Fliegen über sein Gesicht. Er will sie verscheuchen, hat jedoch Mühe den Arm zu heben. Eine Drehung des Oberkörpers nach rechts, sofort schmerzt sein Brustkorb. Er tastet seine Rippen ab und fühlt ein brennendes Stechen. Wie lange ist er schon hier? Er weiß es nicht. Sein Zeitgefühl ist abhanden gekommen. Verdammt. Er muss sich konzentrieren. Ihm fällt nichts ein. Die Minuten fließen zäh dahin. Denk nach.
Das Letzte, an das er sich erinnern kann, ist ein feuchter Graben, nun liegt er auf einer trockenen Heidefläche. Felix fasst an seinen Kopf. Verkrustetes Blut. Er versucht aufzustehen, augenblicklich wird ihm schwindelig.
Felix tastet seinen Körper ab. Hemd, Hose, Schuhe. Seine Finger wandern in die Taschen seiner Hose. Alle leer. Bleibt nur die außen aufgesetzte am linken unteren Hosenbein. Da ist etwas. Es fühlt sich hart an.
11
»So, Herr Goldmann. Jetzt erzählen Sie uns bitte, was Sie für eine Beziehung zu Herrn Broderich hatten.« Beckmann lächelt sein Gegenüber freundlich an. Er ist beeindruckt von den Haaren, die ungebändigt aus Goldmanns Nasenlöchern sprießen wie das Unkraut aus den Ritzen von Marthas Terrasse.
»Beziehung?« Goldmanns sonnengebräuntes Gesicht erbleicht. »Wieso Beziehung? Wir haben miteinander geredet, weil er ein Interview mit mir machen wollte.«
»Haben Sie deshalb letzte Woche mit ihm telefoniert?«
Goldmann nickt, sichtlich erfreut, dass dieser Kommissar ihm die Antwort leicht macht. Vielleicht wird dieses Gespräch doch nicht so schlimm. Sein Lächeln bekommt einen jovialen Anstrich. Beckmann registriert das. Der Präsident des Golfclubs scheint sich wieder auf sicherem Terrain zu fühlen. Das ist ein guter Zeitpunkt, um die Taktik zu ändern.
»Über was haben Sie bei diesen drei Telefonaten gesprochen?«
Goldmanns Erleichterung verfliegt augenblicklich. Drei Telefonate. Verdammt, wieso weiß der Kommissar davon? Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen, nur seine Backenzähne mahlen angespannt aufeinander. Haben die Broderichs Telefon gefunden?
»Über was haben Sie gesprochen?«, wiederholt Beckmann seine Frage.
»Nichts weiter, es ging nur um Termine wegen des Interviews«, murmelt Goldmann schließlich. In seinem Kopf arbeitet es. Er muss diesem Beckmann ein paar Brocken hinschmeißen, sonst gibt der keine Ruhe.
»Ist dieses Interview schon geführt worden?«
Goldmann zuckt zusammen. »Wie bitte? Was sagten Sie gerade?« Verdammt, welchen Brocken soll er nehmen?
»Ich fragte nach dem Interview. Ist das schon geführt worden?« Beckmann ist die Ruhe selbst. Wenn der Fisch den Köder geschluckt hat, lässt der Angler ihn gerne noch ein wenig zappeln.
»Ach, das Interview«, kommt es von Goldmann in
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