Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)
Verbindung mit dem deutschen Kaiser eingefallen, als sie das Telegramm mit der Mitteilung erhielt, dass ihr Ehemann in Frankreich getötet worden sei.
Sie hätte ihn hängen sehen wollen, das Dreckschwein, den brutalen Schurken, der ihre beiden Töchter geschändet und Dot ermordet hatte, ihre liebe, süße kleine Dot. Sie hätte ihn die Folterqualen der drei Wochen in der Todeszelle erleiden lassen wollen, bis die Gefängniswärter den vor Angst fast Ohnmächtigen mit steinerner Miene herausgezerrt und zum Schafott geschleppt hätten, wo der Henker schon auf ihn wartete. Das wäre diesem Teufel recht geschehen. Doch darauf bestand nicht die geringste Aussicht, und in anderer Hinsicht war sie auch wieder ganz froh darüber. Marjorie würde niemals damit zurechtkommen, in der Welt als Witwe eines Mörders zu gelten, und Derrick und Anne als Kinder eines Mörders.
Doch komme, was da wolle, der brutale Schurke musste bestraft, musste gequält, musste so getötet werden, dass er Todesängste dabei ausstand, solange nur Marjorie, Derrick und Anne nicht darunter zu leiden hatten. Es fiel ihr sehr leicht, sich auszumalen, welchen Tod er sterben sollte, und als sie darüber nachdachte, beschleunigte sie ihre Schritte noch, und ihre Hände krampften sich fester und immer fester ineinander, bis schließlich der schwarze Glacéhandschuh an ihrer rechten Hand über den Knöcheln mit einem leisen »Pop« einriss.
Verärgert schnalzte sie mit der Zunge, als sie sich den angerichteten Schaden ansah. Aber es war ihr eine Warnung. Bis zu diesem Augenblick war sie unvorsichtig die Straße entlanggeeilt, und das in einer Geschwindigkeit, mit der sie Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Der Handschuh war ihraus reiner Gedankenlosigkeit zerrissen. In Zukunft musste sie sehr viel vorsichtiger sein, wenn sie einen Plan fassen wollte, um das Dreckschwein Ted zu töten. Sie musste bescheiden und unauffällig auftreten. Sie musste langsam gehen – so; sie musste einen gelassenen, neutralen Gesichtsausdruck zeigen – so; sie musste ihre Hände und ihren Sonnenschirm so halten, dass es keine Aufmerksamkeit erregte – so. Die Leute, die Mrs Clair an der Pforte zur Dewsbury Road 16 ankommen und sie auf ihre Haustür zugehen sahen, hätten meinen können, dass sie soeben von einem stillen Abendgottesdienst in St. Judas zurückkehrte.
Im Schlafzimmer legte sie Hut und Handschuhe ab und sah, dass ihr graues Haar so ordentlich frisiert war wie immer; im Badezimmer wusch sie sich Hände und Gesicht (sie puderte sich nie und hatte es auch nicht nötig), und dann ging sie gemessenen Schrittes hinunter, gerade rechtzeitig, um George Ely zu begrüßen, der eben in Flanellhosen und mit einem Tennisschläger in der Hand aus dem Club zurückkam.
»War es schön beim Tennis, Mr Ely?«, fragte sie.
»Prima, danke.«
»Ihr Glas Milch und etwas Brot und Butter stehen im Esszimmer bereit, sobald Sie sich die Hände gewaschen haben. Und vergessen Sie es heute Abend bitte nicht wieder. Ich glaube, sonst werde ich mich noch selbst darum kümmern müssen, dass Sie auch wirklich etwas zu sich nehmen.«
George Ely war blond und gut aussehend, vierundzwanzig Jahre alt und hatte einen Zug gutmütiger Schwäche um Mund und Kinn. Gehorsam kam er wieder herunter, um seine Milch zu trinken und sein Butterbrot zu essen, während Mrs Clair um ihn herumflatterte und seinen höflichen Protest beiseiteschob.
»Sie haben nur wenig zu Abend gegessen, bevor Sie das Haus verließen«, sagte sie. »Sie brauchen etwas, nachdem sie den ganzen Abend Tennis gespielt haben. Und Milch ist so gut für Sie. Möchten Sie nicht noch ein Glas? Ich habe in der Küche noch mehr.«
Mochte auch aller Hass dieser Welt in Mrs Clairs Busen walten, so war sie doch immer noch fähig zu Freundlichkeit einem harmlosen jungen Mann gegenüber; sie war immer noch fähig zu der heimlichen Freude, die es ihr bereitete, sich nach zwanzig ausschließlich unter Frauen verbrachten Jahren um einen Mann zu kümmern. Und Dot pflegte am Abend ebenfalls Milch zu trinken, während ihre Mutter um sie herumflatterte – George Ely war eine Art Dot-Ersatz für sie.
Im Wohnzimmer blätterte George noch einmal eine halbe Stunde lang lustlos in seiner Abendzeitung herum, während das abendliche Radioprogramm lief und Mrs Clair steif und vornehm in ihrem Sessel dasaß und unablässig an Derricks neuem Pullover strickte. Schließlich gähnte er ein wenig und stand auf.
»Gute Nacht, Mrs Clair«, sagte
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