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Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tödliche Ohnmacht: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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er.
    »Gute Nacht, Mr Ely. Ich hoffe, Sie können gut schlafen. Sie sehen müde aus.«
    Als seine Schritte im oberen Stockwerk verklungen waren, legte Mrs Clair ihre Strickarbeit ordentlich in den Korb zurück, verließ das Wohnzimmer und schloss die Tür hinter sich, sah noch einmal nach, ob in der Küche aufgeräumt und die Hintertür abgeschlossen war, und stieg dann langsam die Stufen hinauf in ihr Schlafzimmer. Sie zog die Rollläden herunter und machte sich mit ihren üblichen einfachen Verrichtungen bettfertig. Ihr graues Haar war ein klein wenig dünner, als die gepflegte Erscheinung vermuten ließ – der dünneZopf reichte ihr kaum bis auf die Schulter herab. Das Korsett, das sie ordentlich auf einen Stuhl legte, war altmodisch und noch aus Fischbein gearbeitet; Mrs Clair dachte immer, was für ein Glück es doch war, dass Tomlin’s auf der High Street diese Art Korsett auch weiterhin verkaufte, denn sie hätte es gar nicht leiden können, wenn sie gezwungenermaßen eins dieser neumodischen Modelle aus Gummi hätte tragen müssen. Ihre weiße Unterwäsche war aus guter Kunstseide – ein Zugeständnis an die moderne Mode –, doch äußerst schlicht. Als Mrs Clair frisch verheiratet war, zog eine Frau nur dann, wenn sie Abendgarderobe anlegte, bunte Bänder durch die feinen Schlitze in ihrer Unterwäsche. Sobald sie das Korsett abgelegt hatte, zog sie sich ihr schlichtes Nachthemd über den Kopf und vollführte den Rest des Auskleidens darunter, ehe sie mit den Armen in die Ärmel hineinschlüpfte. Dann kniete sie nieder, mit dem Gesicht in den Händen und den Händen auf der Bettkante.
    »Vater unser«, betete sie. »Segne Marjorie und Anne und Derrick.«
    Sie musste mittlerweile etwas vorsichtig sein, was diese Liste betraf, damit nicht weitere Namen, die einzuschließen sie sich angewöhnt hatte, ihr versehentlich über die Lippen kamen. Dots Name musste ausgelassen werden, denn sie hatte einmal unbestimmt vernommen, dass es sündhaft und gottlos sei, für die Toten zu beten. Und Teds Name musste natürlich ausgelassen werden. Sie fuhr fort ...
    »Und Mr Ely. Und sorge bitte dafür, dass Ted bestraft wird, Vater. Verdamme ihn, Vater. Töte ihn, Vater. Lass ihn bezahlen für das, was er Dot angetan hat.«
    Mrs Clair musste einen Augenblick lang innehalten, weil in ihrem Inneren ein Tumult aus Zorn und Empörung wütete. Dann war sie schließlich in der Lage, ihr Gebet zu beenden,mit den Worten, die sie seit beinahe sechzig Jahren jeden Abend benutzte.
    »Und mache ein braves Mädchen aus mir. Amen.«
    Sie schaltete das Licht aus, schlüpfte ins Bett und lag auf der Seite zusammengerollt wie ein Kind da, eine Hand unter das Kissen gesteckt und der dünne graue Zopf verstohlen über die Bettdecke lugend. Sie war immer noch naiv genug, um sich darüber zu wundern, dass ihre verworrenen Gefühle ihr nicht erlaubten, sofort einzuschlafen, so wie sie es vor der Tragödie gewohnt gewesen war. Später drehte sie sich ruhelos auf den Rücken, starrte inmitten der warmen Nacht in die Dunkelheit hinein und dachte nach.
    Ted konnte nicht des Mordes angeklagt werden; das stand fest. Dennoch musste er bestraft werden. Dann mussten eben sie und Marjorie es tun. Doch Marjorie war so schwach, und nach all dem, was sie durchgemacht hatte, war es auch kein Wunder. Nein, das stimmte nicht. Mrs Clair verachtete sich selbst dafür, dass sie stets Entschuldigungen für Marjorie zu finden versuchte. Marjorie würde sich nie dazu durchringen, entschlossen zu handeln, wenn sie nicht von einer höheren Macht dazu genötigt würde. Sicher, sie war eingeschränkt dadurch, dass sie kleine Kinder hatte, und sie hatte kein Geld, aber darüber hinaus war sie ein Gewohnheitstier und bereit, sich dem Alltagstrott zu ergeben, nur weil es der Alltagstrott war. Es würde nicht einfach werden, Marjorie zum Handeln zu bewegen, aber sie musste es versuchen.
    Und was genau war es, das sie Ted antun wollte? Ihn töten! Da war sie absolut sicher. Rattengift, das ihm die Eingeweide zersetzen würde, so wie die Reklameplakate es versprachen, wäre das, was er verdiente. Eine Weile spielte Mrs Clair genüsslich mit dieser Idee herum, verwarf sie dann aber bedauernd wieder und rügte sich selbst für ihre Dummheit. Sopraktisch es sein mochte, Ted zu vergiften, es war viel zu gefährlich. Mrs Clair konnte sich noch vage an all die Zeitungsberichte über Crippen, Armstrong und Seddon erinnern. Giftmörder wurden immer überführt, und dieses Risiko

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