Tödliche Option
der
Rothaarigen das Wasser nicht reichen konnte.
»Cola Light, bitte.«
»Das ist alles?«
»Könnten Sie die Theke hier abwischen? Sie
klebt.«
Er murmelte etwas vor sich hin, das unwirsch
klang, und zapfte ihr ein Cola Light, schob es ihr hin, steckte einen verpackten
Strohhalm hinein, dann wischte er die Theke um das Glas herum mit einem
schmutzigen Lappen ab.
Wetzon zog den Strohhalm aus der Hülle und ließ
das nasse Papier auf die Theke fallen. Aha, das erklärte, warum alles klebte,
dachte sie. Er war schon eine seltsame Nummer. Sie zog eine Papierserviette aus
dem Metallbehälter an der Wand am Ende der Theke und wischte die Schmiere auf.
Silvestri müßte jeden Augenblick kommen.
Jemand setzte sich auf den Hocker neben ihr. Es
war die Rothaarige. Stirnrunzelnd sagte Wetzon: »Leider halte ich den Platz für
jemand frei.«
»Ja«, erwiderte die Rothaarige, indem sie sie
mit glänzenden Paloma-roten Lippen nervös anlächelte. »Für mich.«
»Dwayne?« Wetzon starrte die attraktive
Rothaarige mit offenem Mund an. Blanke Neugier stand dem Kellner im Gesicht
geschrieben, und nur die Ankunft eines Kunden hinderte ihn daran, sich an die
zwei heranzumachen.
»Sch. Lassen Sie sich nichts anmerken.« Dwayne
schüttelte seine Locken auf und fummelte an einer der langen Ketten herum, die
auf seinem frechen Busen lagen.
Es war verblüffend, dachte Wetzon — doch sie
hatte ja auch einige Tänzer in La Cage aux Folles gekannt, und sie hatten
sie genauso erstaunt. »Sie sind hübsch, aber warum...?« Sie hielt inne.
Vielleicht war er Transvestit, und sie wollte ihn nicht beleidigen.
Dwayne schüttelte den Kopf. »Ich ziehe mich
manchmal so an, aber gerade jetzt möchte ich einfach von niemandem erkannt
werden.«
»Niemand? Von wem zum Beispiel nicht?«
»Ich verschwinde aus der Stadt. Versuchen Sie
nicht, mich aufzuhalten.« Seine Hände mit den grellroten Nägeln zitterten.
»Trinken Sie die Cola?«
»Nein. Sie können sie haben.« Sie schob das Glas
vor ihn. »Wovor haben Sie Angst, Dwayne?« Wo zum Teufel steckte Silvestri? Sie
zog die zusammengestückelte Liste aus der Handtasche und breitete sie flach vor
ihm aus. Feuchtigkeit drang von der Theke in das Papier, auf das sie die Stücke
geklebt hatte. »Verflixt.« Sie riß es hoch und wischte die Rückseite des Blatts
und die Theke mit einer Serviette ab, dann breitete sie es wieder aus.
»Mein Gott«, sagte Dwayne ganz leise, als er die
Liste sah. »Sie wissen es.«
Treffer, dachte Wetzon. »Wurde Ellie deshalb getötet?«
»Du lieber Gott, was soll ich bloß machen?« Er
stand vom Hocker auf und hob einen prallen roten Rucksack auf, den Wetzon
vorher nicht bemerkt hatte. »Wissen es alle?«
Sie überging seine Frage. Am besten tat sie so,
als wüßte sie, was er meinte. »Was ist mit Ihrer Stelle, Dwayne?«
»Meine Stelle? Das ist ein Witz.« Er starrte sie
durch die dunklen Gläser an. Ihm brach die Stimme. »Ich muß hier weg. Ich muß
weg. Hier ist es nicht sicher.«
Wetzon nahm das Blatt von der Theke und hielt es
unter Dwaynes hübsche Nase. »Ich interessiere mich nicht dafür, ob Sie gehen
oder bleiben. Sagen Sie mir nur, was diese Liste bedeutet.«
»Ich kann nicht... Dann bin ich so gut wie tot.«
»Verdammt, Dwayne, Sie sind tot, wenn Sie es mir
nicht sagen.«
Dwayne zog den Kopf ein. »Es ist eine
Aufstellung von Konten«, flüsterte er heiser, während er den schweren Rucksack
auf den Hocker stellte.
»Wessen Konten? Welcher Makler?«
Dwayne starrte auf die Liste, bis sie glaubte,
er sei in Trance gefallen. Schließlich sagte er: »Ellie.«
»Ellie? Ich kann nicht...« Wetzon hätte beinahe
gesagt, sie könne das von Ellie nicht glauben. Er betrachtete seine Füße, und
sie sah, daß er schwarze Lackschuhe mit Pfennigabsätzen trug. Als sie den Kopf
hob, kam Silvestri in der Bahnhofshalle in Sicht. »Moment noch, Dwayne. Sind
das einwandfreie Konten?«
Als Silvestri seine Hand wie einen Schraubstock
auf Dwaynes Schulter legte, stieß Dwayne einen kleinen Schrei aus. Der Kellner
und die Kundinnen sahen zu ihnen herüber.
»Dwayne, kennen Sie Lieutenant Silvestri schon?«
Sie faltete die Liste zusammen und steckte sie in die Handtasche.
»Wir kennen uns«, sagte Silvestri. »Aber
unterbrechen Sie mich, wenn ich mich irre — Sie hatten eine andere Frisur.«
Dwayne lächelte Silvestri gequält an, doch er
sprach zu Wetzon. »Wie konnten Sie das mit mir machen? Carlos sagte...«
Wetzon spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
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