Tödliche Option
Sie
hatte ihn verraten.
»Hören Sie schon auf, die Frau hat Ihnen
vermutlich gerade das Leben gerettet. Wir hätten Sie ohnehin gefunden, aber
dann wäre es womöglich zu spät gewesen. Verschwinden wir hier.« Silvestri
packte Dwaynes Ellbogen, und Dwayne schrie wieder leise auf. Der Kellner
glotzte.
Wetzon legte zwei Dollarscheine auf die Theke
und folgte dem seltsamen Paar nach draußen und die Rolltreppe hinauf in den
renovierten Wartesaal der Penn Station. Abfahrende Züge wurde angesagt, die
Digitalanzeigetafel klapperte und zeigte Veränderungen bei den ankommenden
Zügen an. Auch um Viertel vor neun an einem Sonntagabend wimmelte es noch von
Menschen, die auf ihre Züge nach Hause warteten.
Dwaynes Absätze klapperten rat-a-tat-tat auf dem
Marmorboden. Sie nahmen eine weitere Rolltreppe nach oben und kamen am
Taxistand heraus, wo Silvestris schwarzer Toyota mit Mo am Steuer auf sie
wartete. Zur 33. Street zog sich eine lange Schlange von erschöpften,
verstaubten Reisenden, auf Taxis wartend, die nicht kamen.
»Les, rutsch vorne bei Mo hinein«, bestimmte
Silvestri, während er die Tür öffnete.
Wetzon stieg ein. »Tag.« Silvestri schlug die
Tür zu und machte die Hintertür auf, schob erst Dwayne hinein, die Hand auf
seinem roten Lockenkopf, dann folgte er nach.
»Hallo.« Mos Blick hing an Dwayne. »Reizend«,
befand sie.
»Halte in der Nähe der 32.«, sagte Silvestri.
Ein Fahrer hinter ihnen lehnte sich auf seine Hupe. »Und stell das Licht
obendrauf.«
Mo startete den Motor, und sie rollten ein paar
Meter vor, dann hielt sie, nahm das Drehlicht vom Sitz, streckte einen Arm
durch das Fenster hoch und setzte es aufs Dach. Das gelbe Licht strahlte vom
Autodach aus und warf seinen zuckenden Schein auf die Zementwände um sie herum.
»Bin ich verhaftet?« Dwaynes Stimme war rauh.
»Noch nicht. Setzen Sie diese verdammte Brille
ab.«
»Mein Gott.« Er setzte die Brille ab und vergrub
sein Gesicht in den Händen. »Was soll ich nur machen?«
»Sie werden uns die Wahrheit sagen. Du hast die
Liste dabei, Les?«
Dwayne setzte sich auf. Seine Augenlider waren
dick mit grauem Lidschatten und verlaufener Wimperntusche bedeckt. Wetzon
reichte Silvestri die Liste, und Silvestri faltete sie auf und hielt sie Dwayne
unter die Nase. »Wir wollen alles wissen, Dwayne. Machen Sie schon. Sie sind
eine Zielscheibe. Wir wissen, daß Sie keinen umgebracht haben, aber Sie hängen
in dem Betrug mit drin.«
»Nein. Das stimmt nicht. Ich nicht. Wetzon...«
»Suchen Sie keine Hilfe bei ihr, Mann. Packen
Sie aus.«
»Ich habe es Wetzon gesagt. Das sind Kunden.«
»Wessen Kunden?«
»Ellies, aber...«
»Was hat es mit diesen Konten auf sich? Warum
zerriß Ellie die Liste? Spucken Sie’s aus, oder ich schleppe Sie eigenhändig in
Untersuchungshaft.«
»Nein, bitte.«
»Du gehst ein bißchen streng mit ihm um,
Silvestri«, mischte sich Mo ein. »Kommen Sie, Dwayne. Sagen Sie es ihm.«
»Sie war außer sich. Ich weiß nicht. Dr. Ash schickte
ihr die Liste und sagte, er würde alles verraten, wenn sie ihn nicht
beteiligte. Sie wußte nicht, wovon er redete, aber dann entdeckte sie, daß sie
alle unter ihrer Sachbearbeiternummer liefen.«
»Aber Sie wußten, wovon er redete, ja, Dwayne?«
»Ich wußte überhaupt nichts, Hand aufs Herz«,
schluchzte Dwayne.
»Wer wußte es dann?«
»Chris Gorham. Ich meine, wir stellten später
fest, daß er den gleichen Brief vom fetten Arsch bekommen hatte, aber es war
der Tag, an dem das Abendessen für Goldie stattfinden sollte, und keiner hatte
Zeit, der Sache nachzugehen. Dann starb Goldie, und alles ging durcheinander.«
»Wer setzte die frühe Sitzung letzten Samstag
an?«
In Dwaynes Gesicht zuckte es, und er schniefte.
Die Wimperntusche ließ seine Augen schwarz erscheinen. »Der fette... Dr. Ash.
Ich war nicht dort. Ich weiß nicht, was passierte. Bitte...«
»Steckte Gorham mit in der Sache, was immer da
vor sich ging?« fragte Silvestri. Wetzon war klar, daß er Chris liebend gern
eine Mordanklage anhängen würde.
»Ich weiß nicht. Ich vermute, er sollte auch
Geld rausrücken.«
»Moment mal«, sagte Silvestri. »Ich komme nicht
ganz mit. Gorham und Ellie wurden erpreßt? Von Ash. Warum?«
Dwayne starrte Silvestri an, dann Wetzon. »Ich
dachte, das wüßten Sie.« Er leckte sich die Lippen, dann preßte er sie
zusammen. »Ich möchte mit einem Anwalt sprechen.«
»Dwayne«, mischte sich Mo wieder ein. »Wir
können Sie als unentbehrlichen Zeugen
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