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Tödliche Option

Tödliche Option

Titel: Tödliche Option Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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nachgäbe.
    Später am Morgen würden Touristen die Gegend
überschwemmen, und die Geschäfte und Restaurants würden öffnen. Ein Tag — fast,
aber nicht ganz — wie jeder andere Tag im Finanzdistrikt, natürlich mit der
Ausnahme, daß die hektischen, unter Hochspannung stehende Hauptpersonen, die
Verkäufer und Händler, fehlten.
    In der Wall Street — bildlich, nicht
buchstäblich, weil sehr wenige Börsenmaklerfirmen tatsächlich in der Wall
Street zu Hause waren — kamen die Geschäftemacher sogar an Samstagen und
Sonntagen im Sommer kurz zur Arbeit. Manchmal schaute ein besonders ehrgeiziger
Makler in zwangloser Kleidung bei seinem Büro vorbei, um ein paar Anrufe zu
erledigen und Papierkram aufzuarbeiten, aber das Tempo war entschieden
gemächlicher.
    Und hin und wieder kam ein Makler (oder wie die
Firmen sie inzwischen meist nannten, ein Finanzberater) an einem Wochenende vor
seinem Ausscheiden und Wechsel zu einer anderen Firma vorbei, um sein »Buch« zu
kopieren, das wertvolle Auszüge von Kundenkonten enthielt.
    Inoffiziell wußten die Firmen, daß Makler das
taten, und ärgerten sich darüber, begriffen aber, daß sie einen Kunden nicht
daran hindern konnten, ihnen ;Sein Konto zu entziehen. Die Zeit vor dem
Ausscheiden war besonders gefährlich, denn wenn ein Makler ertappt wurde, wie
er sein Buch kopierte, wurde er fristlos gefeuert und seine Papiere wurden
einbehalten. Das bedeutete allerdings nicht, daß die neue Firma ihn nicht
nehmen würde. Sie wollte ihn immer noch, nur würde die Übergangszeit schwerer
und länger.
    Offiziell bekämpften die Firmen, besonders
Merrill, die Übertragung von Konten mit Zähnen und Klauen. In einigen Staaten
waren die Firmen dazu übergegangen, dem Makler bei einem Wechsel eine
befristete Einschränkung aufzuerlegen, um ihn daran zu hindern, seine alten
Kunden zu seiner neuen Firma zu locken. Aber es funktionierte nie über längere
Zeit. Es wurde nur erreicht, daß der Makler aus dem Tritt kam, und das war der
Grund, warum sie es taten. Wenn der Makler aus dem Tritt war und nicht arbeiten
konnte, blieb das Konto vielleicht bei der ursprünglichen Firma. Manche Firmen
waren auch dazu übergegangen, den Konten des Maklers eine Prämie zuzuschlagen,
das heißt, den im Büro verbleibenden Maklern hohe Provisionen zu geben —
siebzig Prozent oder mehr — , damit sie sich um die Konten des ausgeschiedenen
Maklers bemühten, und den Kunden bei den ersten Geschäften hohe Abschläge von
den Vermittlungsgebühren anzubieten. Es konnte boshaft werden. Eine große Firma
hatte tatsächlich über die Lautsprecheranlage bekanntgegeben, wie viele Konten
die Firma gehalten hatte, nachdem ein Makler weggegangen war. Es war eine Form
von Psychoterror, um die Makler bei der Stange zu halten.
    Wetzon verließ das World Trade Center durch den
Eingang zum Tower One, überquerte die Straße und ging über den überdachten Fußweg
zum Luwisher Tower Building.
    Sie blieb einen Moment in der riesigen,
eleganten Halle mit ihren Boutiquen stehen. Wo hatte Dr. Ash — oder der fette
Arsch, wie Ellie ihn genannt hatte — sie treffen wollen? Bei den Aufzügen. Im
Erdgeschoß? Nein, oben. Die Halle war leer bis auf einen uniformierten
Aufseher, der aus einem Styroporbecher Kaffee trank. Er sah sie an und nickte
verschlafen. Sie hatte längst gelernt, daß einen niemand aufhielt, wenn man
selbstbewußt auftrat und wußte, wohin man wollte, oder wenigstens so tat. Sie
stieg im siebenundsechzigsten Stock aus dem Aufzug und stieß direkt mit Chris
Gorham zusammen, der angerannt kam, um einzusteigen. Sie prallten so heftig
aufeinander, daß beide zurücktaumelten. Er faßte sich zuerst und drängte in den
Aufzug, indem er Wetzon grob wieder hineinschob, als sich auch schon die Türen
schlossen. Die programmierte Stimme erfüllte den Wagen, während Chris auf den
Knopf zur Halle drückte, ohne sie loszulassen.
    »He«, rief sie wütend, als sie sich gefaßt
hatte. »Lassen Sie los.« Sie versuchte, ihn wegzuschieben. »Was dagegen? Was
machen Sie denn da?«
    »Was machen Sie denn da, Wetzon,
verflucht noch mal?« Chris ließ sie los und lehnte sich schwer atmend an die
Wand des Aufzugs. Sein Gesicht war gerötet. Er trug perfekt gebügelte
Khakihosen, ein blaues Lacoste-Hemd, Turnschuhe ohne Socken und hatte einen
Tennisschläger in einer weiß und blau gestreiften Segeltuchtasche.
    »Es handelt sich um eine private Sache, Chris.«
    »Eine private Sache«, äffte er sie nach. »Jede
Wette.«

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