Tödliche Pralinen
er die geheimnisvolle Arbeit erledigt, für
die Paoli ihn engagiert hatte. Ich mußte herauskriegen, um welche Arbeit es
sich handelte. Am besten, ich käme bei dunkleren Lichtverhältnissen noch einmal
hierher. Mit diesem Vorsatz fuhr ich nach Paris zurück.
Gegen vier, als ich mir über die bevorstehende
Nachtwanderung Gedanken machte, klingelte das Telefon. Florimond Faroux war am
Apparat. In seiner freundlichen Art bat er mich, in sein Büro zu kommen. Nein,
weitere Erklärungen wolle er mir am Telefon nicht geben. Zwanzig Minuten später
saß ich vor ihm.
„Kennen Sie einen Dr. Blavette... Blouvette...
Verdammt, ist das ‘n Name!“ fluchte er.
„Philippe Blouvette-Targuy“, half ich ihm aus. „Ja.
Ein früherer Klient von mir.“
„Also, dieser Blouvette war hier.“
„Ich dagegen war vorgestern bei ihm. Er hat
nämlich den Totenschein des kleinen Louis Béquet ausgestellt. Und Sie wissen
ja, ich bin davon überzeugt, daß der Junge einem Verbrechen zum Opfer gefallen
ist... wie Jean Tanneur.“
„Ja, ich weiß. Der Arzt hat mir von Ihrem Besuch
erzählt. Nachdem Sie gegangen seien, habe er lange nachgedacht, hat er gesagt.
Ist er vielleicht ein bißchen bekloppt, der Doktor, genau wie sein Name?“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Er hat weiter gesagt, er habe Ihnen gegenüber
behauptet, es gebe keinen Zweifel an einem natürlichen Tod im Fall Louis
Béquet. Hier, auf dem Stuhl, auf dem Sie jetzt sitzen, hat er seine Behauptung
zurückgenommen und mich gebeten, eine Exhumierung zu veranlassen. Hörte sich
wirklich an wie ‘ne Bitte.“
Ich bemühte mich nicht, meine Überraschung zu
verber- gen ’
„Und? Was werden Sie jetzt tun?“
„Seiner Bitte entsprechen und eine Exhumierung
der Leiche sowie deren Autopsie veranlassen.“
„Komisch, komisch“, murmelte ich. „Dabei war
sich Blouvette seiner Sache völlig sicher...“
„Er hat mir einen Vortrag über Vergiftungen
gehalten“, seufzte Faroux. „Hab kein Wort verstanden. Nur daß es außer Arsen
auch noch andere Gifte gibt und ein Arzt auch nicht unfehlbar ist. Beides wußte
ich aber vorher schon... Er möchte, daß ein Arzt aus unseren Reihen seine
Diagnose bestätigt.“
„Wann wird das stattfinden?“
„Morgen oder übermorgen.“
„Falls Louis Béquet ebenfalls vergiftet wurde,
ist Frédéric Tanneur nicht mehr der einzig mögliche Schuldige, was?“
„Und warum nicht, wenn man fragen darf?“
„Tja, das weiß ich auch nicht so genau... Aber „Wenn
Sie’s auch nicht so genau wissen, dann halten Sie besser die Klappe!“ herrschte
mich der Inspektor an. „Ich bin schon genug geladen, weil der Vogel abgehaun
ist!“
„Immer noch nichts Neues in der Richtung?“
„Immer noch nicht.“
Ich verabschiedete mich. Sollte die Autopsie
Blouvettes Totenschein ungültig machen, würde es Faroux schwerfallen, dem
Taxifahrer auch diesen Mord anzuhängen und ihn dadurch zum Menschenfresser des
Jahres zu erklären.
Aber was hatte meinen früheren Klienten Dr.
Blouvette-Targuy dazu veranlaßt, seine Meinung zu ändern und die Polizei um
eine Autopsie der jungen Leiche zu bitten?
* * *
Der Taxifahrer, der mich um Mitternacht am
Ortseingang von Malabry absetzte, ließ sich durch nichts dazu bewegen, auf mich
zu warten. Er habe Frau und Kinder, und bei dieser unfähigen Polizei seien die
Vororte nicht mehr sicher. Hörte sich an wie ein Echo von Catherine Larcher.
Ich zahlte, und er fuhr zurück nach Paris.
Wie um mich in noch bessere Laune zu versetzen,
ging ein Gewitter nieder, das schon den ganzen Tag in der Luft gelegen hatte.
Der Wind blies mir fast die Ohren vom Kopf. In der Ferne hörte ich die Züge der
Ringbahn.
Ich ging rasch auf Paolis Grundstück zu. In der
Nähe des Schuppens schwang ich mich auf die Umfassungsmauer. Von den Bäumen
tropfte es, aber das Blattwerk hielt den sturzbachartigen Regen ab. Das nützte
mir allerdings herzlich wenig. Ich war schon auf die Knochen durchnäßt.
Weit und breit war kein Lichtschimmer zu sehen.
Anwesen und Turm lagen ebenso dunkel da wie der Schuppen.
Ich sprang von der Mauer auf den aufgeweichten
Boden. Einen Moment horchte ich in die Stille hinein, dann wagte ich mich
weiter vor. Plötzlich wurde ein Lichtstrahl auf mich gerichtet. Wahrscheinlich
ein Romantiker, der in dieser anheimelnden Atmosphäre von seiner Liebsten
träumte. Ich hatte meinen Hut tief in die Stirn gezogen, so daß ich nicht
geblendet wurde. In der Höhe der Taschenlampe vermutete ich das
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