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Tödliche Pralinen

Tödliche Pralinen

Titel: Tödliche Pralinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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gefolgt von meinem
Gelächter. Ich schüttete mich aus vor Lachen. Es gab auch allen Grund dazu.
Warum sollte es morgen mehr rappeln als heute? Die Nebelschleier würden sich
auch nicht durch meine Entlassung aus dem Hospital lüften. Ich konnte nur auf
einen Wetterumschwung hoffen.

13

Der Menschenfeind
     
    Unsere Dichter wollen uns weismachen, daß sie
jederzeit bereit wären, aus Liebe zu ihrer Angebeteten das Matterhorn auf
Händen zu besteigen oder den Mond mit ihren Zähnen zu schnappen... und
festzuhalten. Alles Quatsch! Ich zum Beispiel war schon immer unsterblich in
Ginger Rogers verliebt gewesen; trotzdem wäre es mir im Augenblick nicht
möglich gewesen, auch nur einen Tanzschritt mit ihr zu wagen. Als ich meine
Agentur betrat, wurde mir schwindlig und ich war alles andere als sicher auf
den Beinen.
    „Sieht nicht grade blendend aus, was?“ empfing
mich Hélène. „Kommen Sie, Chef, setzen Sie sich! Ich habe zwei Neuigkeiten für
Sie, die Sie sofort wieder in Bestform versetzen werden. Hier, zuerst
fünfundzwanzigtausend Francs! Der Geldbote sah zwar aus wie’n Sträfling,
aber...“
    „Was interessiert mich die Verpackung“, fiel ich
ihr ins Wort, während ich bereits das Geld zählte. „Hauptsache, die Scheine
sind echt.“
    „Und zweitens hab ich endlich die Akte
Blouvette-Targuy gefunden.“
    „Was steht drin?“
    „Werd’s Ihnen lang und breit erzählen. Übrigens
sind es zwei Akten.“
    Ihre schönen Augen leuchteten. Es mußten ja
interessante Dinge sein, die sie für mich bereithielt!
    „Nun machen Sie schon“, drängte ich ungeduldig.
    „Also... Vor einigen Jahren bat uns Dr.
Blouvette-Targuy, in Büchereien und Bibliotheken, auch in privaten, nach den
Ausgaben eines Buches zu suchen, das er in seiner Jugend verfaßt hatte und auf
das er nicht mehr sehr stolz war. Wir haben einige Exemplare aufgetrieben, die er
dann sofort vernichtet hat. Denn mit Jugendliteratur hatte das absolut nichts
zu tun. Wenn seine Patienten davon erfahren hätten, hätten sie bestimmt den
Arzt gewechselt...“
    „Woher wissen Sie...“
    „Wir haben ein Exemplar aufbewahrt. Ich hatte es
mit nach Hause genommen und total vergessen. Gestern fiel es mir wieder in die
Hände. Hier ist es! Schon nach oberflächlicher Lektüre würden Sie sich lieber
mit ihrer Krankheit — Scharlach oder sonst was — abfinden, als sich in die
Hände des Verfassers zu begeben!“
    Sie reichte mir eine Art Broschüre mit
verblaßtem Einband und vergilbter Schrift. Der Titel lautete Über die nötige
Sauberkeit. Eine Streitschrift von P. Bloutard — eine Zusammenfassung von Blouvette-Targuy — , Student der Medizin. Toulouse 1920.
    Es handelte sich um eine Sammlung von Aufsätzen,
die nicht etwa für reinlichkeitsbesessene Hausfrauen geschrieben worden waren.
Nein, es war eine beißende Kritik an der Gesellschaft im allgemeinen und am
Menschen im besonderen. Voller Menschenfeindlichkeit. Eine wüste Zitatensammlung
von Ravachol, Nietzsche, Lacenaire und Fantomas. Die Erde war demnach von
Halunken, Betrügern und Idioten bevölkert, von denen sie, die Erde, sich um
jeden Preis befreien müsse. Achtzig Prozent der Menschen seien zu eliminieren!
Der angehende Mediziner rief alle verfügbaren und verantwortlichen Kräfte zum
Handeln auf. Nach dem „Großreinemachen“, wie er es nannte, werde auf der Welt
die Sauberkeit herrschen, die er für nötig erachtete.
    Eine regionale Tageszeitung hatte sich daraufhin
entrüstet zu Wort gemeldet, und zwischen dem betreffenden Journalisten und dem
Studenten hatte sich eine Kontroverse entwickelt, die in der Broschüre
ebenfalls abgedruckt war. Der Journalist wunderte sich, daß ein Mensch mit
solchen Ideen weiterhin an der Medizinischen Fakultät studiere und obendrein
noch als ausgezeichneter Schüler gelte. Sei die Wahl dieses Berufes im
allgemeinen nicht ein Beweis besonderer Liebe zum Nächsten? (Ja, Sätze hatte er
in der Feder, dieser Journalist!) Blouvette-Targuy hatte allen Ernstes
geantwortet, nicht um zu heilen habe er dieses Studium gewählt, sondern um zu
töten.
    Das waren nun wirklich starke Worte! So stark,
daß selbst der jugendliche Autor es gemerkt und seine Worte ein paar Tage
später wieder zurückgenommen hatte. An seiner Theorie jedoch hatte er
festgehalten.
    „Ein angenehmer Zeitgenosse!“ rief ich.
    „Ein Feind des Menschengeschlechts!“ präzisierte
Hélène. „Der geborene Diktator! Augenblicklich gibt es in Europa drei oder vier
Staatschefs, die so ähnlich

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