Tödliche Pralinen
denken... Was halten Sie von dem Kram?“
„Ich bin nur eine bescheidene Sekretärin“,
antwortete sie lächelnd. „Aber Sie, Chef, was denken Sie?“
„Daß Sie sehr wohl eine Meinung haben! Aber
schön, ich werde Ihnen meine auseinanderlegen. Das Ganze kommt mir vor wie ein
Studentenulk. Der junge Blouvette-Targuy als Bürgerschreck. Ja, er wollte die
Bürger von Toulouse mit diesem Schwachsinn erschrecken... oder sich an seinen
Kommilitonen rächen. Die haben sich bestimmt über seinen komischen Namen lustig
gemacht. Na ja, und später dann, inzwischen als niedergelasssener Arzt, wollte
er seine Jugendsünde ausradieren. Ich frage mich nur, warum mir das Machwerk
damals nicht weiter aufgefallen ist...“
„Das war ungefähr zu der Zeit, als Sie wegen dem
Geheimnis von La Globule, dem Blutkörper, Blut und Wasser geschwitzt
haben.“
„Ach ja? Verstehe... Und jetzt Sie! Ihre
Meinung?“
„Bis vor kurzem war sie noch identisch mit
Ihrer. Inzwischen hat sich das geändert. Nach der Lektüre der Broschüre habe
ich mich ein wenig umgehört, und dabei ist mir aufgefallen... Ich habe
festgestellt, daß der Arzt ein angenehmes Äußeres besitzt. Die Frauen in seiner
Umgebung sind ganz weg, wenn sie nur seinen Namen hören. Er war in einen Fall
verwickelt, mit dem wir vor ein paar Monaten zu tun hatten. Ein Klient ließ
durch uns seine Ehefrau überwachen, die für seinen Geschmack etwas zu häufig in
die Sprechstunden von Dr. Blouvette-Targuy lief. Nachweisen konnten wir ihr
nichts, und so verlief die Sache im Sande. Aber wie heißt es noch so schön? Wo
Rauch ist, ist auch Feuer! Vielleicht hatte die Geschichte weder Hand noch Fuß,
aber die folgende hat beides, Hand und Fuß: Vor vier Monaten war Madame
Blouvette-Targuy sehr krank. Nichts Genaues weiß man nicht, aber angeblich soll
ein Mordversuch eine Rolle gespielt haben. Ein Giftmordversuch, genauer gesagt.
Vergifteter Kuchen...“
„Das ist ja interessant! Und Sie nehmen an, daß
es den kleinen Jean Tanneur und die etwas größere Irma Denoyel nur aus Versehen
erwischt hat, hab ich recht?“
„Daß der umschwärmte Arzt die menschenverachtende
Theorie seiner Jugend in die Tat umsetzt, das nehme ich an!“
„Im Falle Tanneur mag das hinhauen. Das Monster
vergißt absichtlich die vergifteten Pralinen im Taxi und hofft, daß jemand sie
ißt. Im Falle Irma Denoyel jedoch..
„Noch ist nicht bekannt, wo sie die tödlichen
Pralinen gekauft hat. Vielleicht hat sie die Tüte ja auch vor ihrer Haustür
gefunden... oder jemand hat ihr die Schokolade geschenkt.“
„Tja... Der Bekanntenkreis der Toten ist doch
sicher durchleuchtet worden?“
„Und keine Spur führt zu Dr. Blouvette-Targuy,
wenn Sie das meinen.“
„Hören Sie, Hélène. Ich würde nur zu gerne den
Mörder finden, irgendeinen. Wenn auch nur, um Galzat und Faroux eins
auszuwischen. Aber ich habe das Gefühl, daß wir im Moment auf dem Holzweg sind.
Das verwendete Gift stört mich. Arsen! Stellen Sie sich vor: Ein intelligenter
Mann — darüber hinaus auch noch ein Arzt, was kein Widerspruch sein muß —
verwendet Arsen, das Gift der Dummen, wenn ich das mal so sagen darf, das Gift
nämlich, das hundertprozentig in der Leiche des Opfers gefunden werden kann,
auch noch mehrere Jahre nach seinem Tod!“
„Der Mörder schlägt blind zu, ohne konkreten
Haß, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ihm ist es doch egal, daß die Polizei
sofort auf ein Verbrechen schließt!“
„Das ist ihm überhaupt nicht egal“, widersprach
ich. „Er will seinen Plan konsequent durchziehen. Öffentliches Großreinemachen,
Sie erinnern sich... Da kann es nicht in seinem Interesse liegen, daß die Flics
gleich bei den ersten Opfern auf Touren kommen. Das ist doch logisch.“
„Aber das ist es ja eben! Der Mann ist ein
Monster, und Monster denken nicht logisch. Sonst hätte er nicht so bestialische
Ideen verbreitet.“
Sie wies auf die Broschüre.
„Bestialisch?“ rief ich aufgeregt. „Haben Sie
,bestialisch“ gesagt? Großer Gott, Hélène, erinnern Sie sich an meinen Besuch
bei Blouvette? Ich saß mit Galzat im Wartezimmer, und bei der Gelegenheit
wurden wir Ohrenzeugen eines Streites. Der Arzt hat eine Frau rausgeworfen. Sie
sagte: ,Das ist bestialisch!’ Wußte sie Bescheid? Bezog sich das Wort auf
Blouvettes Untaten? Jean Tanneur war am selben Morgen gestorben. Als ich dem
Arzt gegenüber das Wort ,Arsen’ erwähnte, wurde er verlegen und stotterte
herum...“
„Das Schönste kommt noch,
Weitere Kostenlose Bücher