Tödliche Recherche
weiß gar nicht, was du willst.“ Bahn gab sich aufreizend ruhig. „Frau Schramm hat einen Brief von der
Chefredaktion erhalten und Kollege Krupp von den Nachrichten eine widersprechende Aussage von dir.“
„Nicht von mir“, schnaubte Taschen zornig. „Vom Hörensagen“, stellte er klar. Er wolle den Brief an Thea Schramm sehen, den Bahn bereitwillig aus einer Tasche seiner Lederjacke zog.
Der Lokalchef gab sich gelassen nach dem Lesen. „Ich habe Schramm am Montag lediglich gesagt, er müsse sich in seinem Arbeitseinsatz noch steigern, sonst würde der Verlag eventuell einen Typen aus Bergheim vorziehen“, erklärte Taschen. „Schramms Leistungen hatten nach meiner Beurteilung etwas nachgelassen. Ich wollte ihn durch diese Anmerkung doch nur motivieren und anspornen, mehr aber auch nicht.“ Das habe er auch Waldmann gesagt. „Aber ich habe nie davon gesprochen, daß er das Volontariat vergessen könne.“ Die Ausbildung habe niemals zur Disposition gestanden.
Da müsse Schramm etwas völlig falsch verstanden haben.
Taschen drehte sich auf der Stelle um, ging verärgert in sein Zimmer und warf mit einem lauten Knall die Türe hinter sich zu, um sie sofort wieder zu öffnen.
„Was hast du mit dem Breuer ausgemacht?“, schrie er Bahn über den Flur an.
Bahn blickte seinen Chef fragend an. „Was soll ich denn gemacht haben?“
„Du hast dem zugesagt, wir würden für ihn eine Ehrenerklärung veröffentlichen. Die kann der sich abschminken. Ich bin doch nicht sein Hampelmann. Und du mischst dich gefälligst nicht in meine Angelegenheiten ein!“ Und erneut warf er krachend die Tür zu seinem Zimmer zu.
Alle in der Redaktion waren damit ausreichend gewarnt. Das Türeknallen war ein untrügliches Zeichen dafür, daß Alarmstufe eins herrschte und dementsprechend die Stimmung auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt war.
Bahn wußte nicht, ob er grinsen sollte oder nicht. Taschen war jedenfalls angeschlagen, freute er sich. Aber ich kann ihm leider nicht beweisen, ob er die Wahrheit sagt oder lügt. Das hätte nur Schramm gekonnt.
Das Hickhack um Breuer nahm er gelassen hin. Sollte sich der Chef mit der CDU streiten. Ich halte mich raus. Es hätte wenig Sinn gehabt, Taschen über das gestrige Telefonat mit Breuer zu informieren. Der glaubt mir ja sowieso nicht, sagte er sich insgeheim.
Bahn wandte sich der Berichterstattung über den Karnevalsauftakt zu. Es faszinierte ihn immer wieder, wie er von einem Moment auf den anderen die Konzentration auf ein anderes Thema lenken konnte. Der Zank mit Taschen war verdrängt. Jetzt galt es, im Interesse der Leser einen Artikel zu schreiben, der besser war als der der lokalen Konkurrenzblätter.
Nach seinem Dienst brachte Bahn den Brief zurück zu Thea. Auf ihre Nachfrage bekannte er, daß er sein Versprechen vergessen habe, Konrads Utensilien mitzunehmen. Es war ihm peinlich. Er würde ihr die Sachen am nächsten Tag bringen, versicherte er zerknirscht.
Thea nahm’s indes nicht tragisch. „Schau’ mal“, sagte sie und zeigte auf eine kleine Anrichte. Neben mehreren Aktenordnern, in denen sie alle Artikel von Schramm gesammelt hatte, lag dessen alte Nikon F1 und der Notizblock mit dem angeklemmten Kugelschreiber. „Da stehen die letzten Sätze drin, die Konrad geschrieben hat.“
„Darf ich mal lesen?“, bat Bahn neugierig und überflog die beiden Sätze zu Bürgermeister Walter.
„Was meint Konrad damit?“, fragte er Thea, die aber keine Antwort wußte.
„Aber die Sätze stehen doch in irgendeinem Zusammenhang zum Ausgang der Kommunalwahl“, mutmaßte Bahn. Wieder zuckte Thea nur ahnungslos mit den Schultern.
„Konrad hat mit mir niemals über die Wahl gesprochen“, erklärte sie. Nur einmal, vor ungefähr einem Monat habe er kurz mit ihr darüber geredet. „Da war er wohl bei irgendeiner Pressekonferenz gewesen, über die er sich sehr geärgert hat.“
Thea wußte allerdings noch nicht einmal, welche Partei damals zu dem Gespräch eingeladen hatte. „Das hat mich alles überhaupt nicht interessiert. Es gibt wahrlich Wichtigeres im Leben“, meinte sie und strich über ihren Bauch.
Bahn gingen die beiden Sätze nicht aus dem Kopf, die Schramm geschrieben hatte. Gedankenversunken fuhr er von Birkesdorf nach Düren und steuerte mechanisch die Redaktion an. Ich wollte doch nach Hause, dachte er sich erschrocken. Dann ging er jedoch nach oben in die leeren Räume. Er holte die Papiere vor, die er Thea bringen wollte.
Erneut stutzte er bei
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