Tödliche Recherche
unkonzentriert erledigte er die Alltagsarbeit, was Taschen eine willkommene Gelegenheit bot, in scharfer Form über ihn herabwürdigend herzuziehen.
Zum Erstaunen seiner Kollegen nahm’s Bahn ausgesprochen gelassen hin: Leck mich! Es hatte schon Tage gegeben, da hatte Bahn in gleicher Form gekontert. Jetzt blieb er brav wie das Schaf, das zur Schlachtbank geführt wurde.
Nur am Rande bekam er mit, daß Breuer noch einmal mit Taschen telefonierte. Nach der Lautstärke und der Wortwahl von Taschen zu urteilen, war es nicht gerade das höflichste Gespräch.
Bahn saß nur seine Stunden ab. Er wollte nach Hause, wollte noch einmal die Artikel über den Kommunalwahlkampf durchforsten. Es mußte darin einen Hinweis geben. Dort würde er einen Schlüssel finden. Da war sich Bahn vollkommen sicher.
Er hatte sich nicht um die Berichterstattung über den Dürener Wahlkampf gekümmert. Die Politik, das war noch nie seine journalistische Welt gewesen. Zirkus, Annakirmes oder Karneval, das waren die Themen, die ihm behagten, da fühlte er sich journalistisch zu Hause und da war er anerkanntermaßen der beste Mann in der Redaktion. Das war sein Metier. Aus der Kommunalpolitik hielt er sich am liebsten ‘raus. Das ist doch nur ein schmutziges und korruptes Geschäft, sagte er sich auf der Heimfahrt.
In seinem Arbeitszimmer las sich Bahn noch einmal alle Artikel in chronologischer Reihenfolge durch. Wo war der Schlüssel? Wo mußte er suchen?
Der erste Anlauf endete für Bahn enttäuschend. Ihm war absolut nichts aufgefallen. Doch er wollte nicht aufgeben. Noch einmal ging er Artikel für Artikel durch. Er stockte, blätterte mehrmals vor und zurück und spürte dann das Kribbeln im Nacken, das sich immer einstellte, wenn er eine heiße Spur aufgenommen hatte.
Der Bruch kam nach dem Bericht von Schramm über die bilanzierende Pressekonferenz von Walter. Man werde für den Erfolg arbeiten, arbeiten, arbeiten; mit allen Mitteln, die man zur Verfügung habe. Der Satz ging Bahn nicht aus dem Kopf.
Es war der letzte Artikel, den Schramm über den Wahlkampf der SPD und ihren Bürgermeisterkandidaten Walter geschrieben hatte. Nachdem Schramm bis zu diesem Zeitpunkt fast alle Termine der Genossen bestritten hatte, war damit nunmehr unvermittelt Schluß.
Noch etwas fiel Bahn auf: Taschen hatte bis zum Wahlsonntag die Berichterstattung über die SPD übernommen. Schramm kümmerte sich nach dieser Pressekonferenz nur noch um die Exoten wie die Grünen oder die FDP. Die CDU kam bis zur letzten Woche fast überhaupt nicht mehr im Dürener Tageblatt vor. In dieser Woche bekamen die Union und vornehmlich Breuer allerdings nur noch Stoff. Während es Schramm bei einer sachlichen Schilderung des Skandals beließ, ließ Taschen kein gutes Haar an dem Bürgermeister. Das geht schon unter die Gürtellinie, kritisierte Bahn zu spät die unausgewogene Kommentierung. Das war ja schon peinlich für das Blatt, das objektiv informieren sollte.
Schließlich gab es noch eine dritte Besonderheit: Schramm hatte neutral über die SPD berichtet und bei ihr wie auch bei den anderen Parteien im Rahmen seiner Gleichbehandlung nur die Fakten herausgestellt. Polemiken gegen die anderen Kandidaten kamen in seinen Artikeln nicht vor. „Meine Versachlichung des Wahlkampfes gefällt nur den Kommunalpolitikern nicht, die außer Beleidigungen nicht zu sagen haben“, hatte Schramm stets auf alle Vorwürfe entgegnet, die Politgrößen deswegen bei der Eminenz gegen ihn erhoben hatten.
Taschen hingegen machte in seinen Artikeln, die fast immer von einem Bild von Walter begleitet waren, keinen Hehl aus seiner Sympathie für den Spitzenkandidaten der Oppositionspartei.
Während der Zeit des Wahlkampfes war diese tendenziöse Meinungsmache Bahn gar nicht so bewußt geworden. Kein Wunder, dachte er sich. Es war ihm beim flüchtigen Überfliegen der für ihn uninteressanten Artikel nicht aufgefallen.
Jetzt allerdings sah er den Zusammenhang klar und deutlich vor sich und er spürte, welche Macht die Presse tatsächlich ausüben konnte. Taschen hatte augenscheinlich nach der Pressekonferenz der SPD das Ruder übernommen und die Redaktion stramm auf den Kurs von Walter und der SPD gebracht.
Bahn fotokopierte die Artikelsammlung und brachte sie zu Schramms Witwe. Er sagte Thea nichts von seiner Entdeckung.
Bei der Fahrt nach Birkesdorf waren ihm wieder Zweifel gekommen. Vielleicht bilde ich mir das ja auch alles nur ein, sagte er sich. „Kannst du mir noch einmal
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