Tödliche Recherche
dem Zitat: „Ich freue mich über den Erfolg, der ohne das Tageblatt nicht möglich gewesen wäre.“ Bahn blätterte zügig durch den Band der abgehefteten Zeitungen. Bei Zitaten war Schramm immer übergenau gewesen, sagte er sich. Wenn das Zitat tatsächlich mit der Spendenaktion in Zusammenhang stand, dann würde er es auch garantiert im Blatt lesen können.
Die entsprechenden Artikel von Schramm fand Bahn, auch las er verschiedene Zitate. Doch nirgendwo fand sich auch nur ansatzweise ein Hinweis auf das Zitat, das Schramm auf der Schreibtischunterlage verewigt hatte. Es gehörte nicht dazu.
Schramm mußte es demnach in einem anderen Zusammenhang notiert haben.
Bahn mühte sich weiter durch die abgelegten Zeitungen und landete bei der Ausgabe vom letzten Dienstag. Die Wahlnachlese war das große Thema gewesen. Ein gemeinsamer Artikel von Taschen und Schramm befaßte sich mit dem sensationellen Wahlausgang in Düren. Schramm hatte wohl mit dem neuen Bürgermeister gesprochen, entnahm Bahn dem Artikel, der keine wörtliche Rede enthielt. Sollte das Zitat etwa von Walter sein, von Walter dem Ersten?
Der Hauptsatz des Zitats konnte zutreffen. Doch was sollte der Nebensatz, fragte sich Bahn.
Nachdenklich fuhr er nach Hause zur Kampstraße. Und wieder war er froh, daß seine Dauerfreundin Gisela immer noch nicht zurück war. Sie wird schon wiederkommen. Er machte sich deswegen überhaupt keine Sorgen.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch und blätterte durch die Artikelsammlung, die Fräulein Dagmar für Schramm zusammengestellt hatte. Pressekonferenz, vor einem Monat, keine Ahnung, welche Partei, das waren die Stichworte, die ihm durch den Kopf schossen und an denen er sich orientierte. Bahn durchblätterte die sorgfältig datierten Seiten.
Da war es! Er war fündig geworden. Schramm hatte vor nunmehr fünf Wochen an einer Pressekonferenz der damaligen Oppositionspartei SPD teilgenommen. Walter hatte eine Zwischenbilanz über den bis dahin - natürlich hervorragenden - Wahlkampf seiner Partei gezogen und von den - natürlich -guten bis herausragenden Erfolgsaussichten für ihn und seine mitstreitenden Genossen geschwärmt.
Man werde für den gemeinsamen Erfolg arbeiten, arbeiten, arbeiten; mit allen Mitteln, die man zur Verfügung habe. Er sei Prinz Walter der Erste und er wolle Bürgermeister Walter der Erste werden.
Da ist er wieder, der erste, dachte sich Bahn, als er müde die Akte zur Seite legte. Und er wurde den Gedanken nicht los, der sich nach dem Telefonat mit Breuer bei ihm festgesetzt hatte. Wer sich verteidigt, klagt sich an. Vielleicht war Breuer der erste in Schramms Notiz gewesen. Schließlich war Breuer ja noch offiziell erster Bürger, bis der Stadtrat bei der konstituierenden Sitzung einen neuen „Ersten“ wählen würde. Oder war es doch Walter?
Bahn war fast auf der Couch in seinem Wohnzimmer eingenickt, als das Telefon ihn wieder wachrüttelte.
„Ich bin’s, Walter“, meldete sich unverkennbar der zukünftige Bürgermeister. „Helmut, kannst du mir vielleicht sagen, was das heute morgen sollte“, krächzte er. Walter fuhr fort, ohne auf Bahns Antwort zu warten. „Du hast mich noch nie gefragt, was los ist. Wie kommst du jetzt darauf?“
Bahn war überrascht über die Empfindsamkeit von Walter. Man hatte dem SPD-Mann immer schon nachgesagt, er spüre Gefahr, bevor sie überhaupt eintritt. Bahn verspürte aber wenig Lust, Walter aufzuklären.
„Laß es uns kürz machen, ich bin müde“, sagte er nur, „wann bist du nach Berlin geflogen?“ „Am Montag gegen fünfzehn Uhr. Warum willst du das denn wissen?“
Es habe sich schon erledigt, meinte Bahn als nichtssagende Antwort und legte nach kurzem Gruß auf.
Seine Seifenblase war zerplatzt. Mein Gedanke war wohl falsch gewesen, räumte Bahn enttäuscht ein.
Dienstag, 12. November
Bahn hatte in der Nacht schlecht geschlafen und sich unruhig hin und her gewälzt. Er machte sich Gedanken über etwas, von dem er glaubte, daß er es übersehen hatte. Es war noch etwas in der von Fräulein Dagmar für Schramm angelegten Akte gewesen. Er hatte es gespürt beim raschen Überlesen der Artikel. Aber Bahn wußte es sich nicht zu erklären. Es gab etwas, das ihn nachdenklich und unruhig gemacht und ihm den Schlaf geraubt hatte. Aber was?
Welches Geheimnis gab es in den für Schramm gesammelten Artikeln, fragte er sich.
Den gesamten Arbeitstag dachte Bahn darüber nach. Die Zeitung war ihm heute gleichgültig. Dementsprechend
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