Tödliche Saturnalien
besonders weit her«, erwiderte ich. »Ich habe nichts mit den Aedilen zu tun.«
»Oh, gut. Für dieses Jahr habe ich nämlich schon mehr als genug von den Kerlen gesehen.« Sie war eine attraktive, grobknochige Frau mit klaren Zügen und den leicht schräg stehenden Augen, die typisch für Menschen etruskischer Abstammung sind. Ihre dunkelbraunen Haare waren unter ihrer Kopfbedeckung hochgesteckt. »Und was kann ich für dich tun? Wenn Vertreter deiner Klasse mich konsultieren möchten, schicken sie gewöhnlich Sklaven.«
»Tatsächlich?« gab ich zurück. »Nun, es gibt Dinge, die ich lieber selber tue. Dinge, die, sagen wir, sehr private Angelegenheiten betreffen.«
»Überaus klug«, meinte sie. »Ich nehme an, du bist nicht wegen irgendwelcher Heilkräuter zu mir gekommen. Ich wette, zur Behandlung deiner Krankheiten konsultierst du einen griechischen Arzt.« Sie sagte das mit einem herablassenden Rümpfen ihrer markanten Nase, um ihre Verachtung für derlei neumodische, ausländische Praktiken zu zeigen.
»Zur Zeit erfreue ich mich allerbester Gesundheit«, erklärte ich ihr.
»Dann vielleicht ein Aphrodisiakum? Ich habe vorzügliche Heilmittel zur Wiederherstellung der Männlichkeit.«
»Leider nein, und bevor du mich danach fragst, nein, ich brauche auch kein Abortivum.«
Sie zuckte die Schultern. »Damit ist mein Angebot so gut wie erschöpft«, sagte sie, was mir seltsam vorkam. Normalerweise drängen einem Händler ihre Waren auf, egal ob man sie haben will oder nicht. Diese Frau hingegen wirkte beinahe herablassend.
»Einmal angenommen, ich befände mich in einem Zustand tiefster Verzweiflung.«
»Versuch es mit einer erfahrenen Hure und einem Krug Wein. Das sollte dich auf angenehme Gedanken bringen und deine Lebenssicht gründlich verändern.«
Sie wurde mir fast sympathisch. »Doch mein Kummer ist nicht zu ertragen. Ich muß ihm ein Ende bereiten.«
»Versuch’s mit dem Fluß«, schlug sie vor.
»Das wäre ziemlich ungalant. Man quillt auf und die Fische knabbern an einem«, wandte ich ein.
»Du siehst aus, als wärst du eine Zeitlang bei der Legion gewesen. Stürz dich in dein Schwert. Galanter und ehrenhafter kann man nicht sterben«, erwiderte sie amüsiert, wenngleich mit zunehmend ärgerlichem Unterton.
»Ich wünsche mir einen angenehmen und schmerzlosen Ausweg aus meinen Problemen. Ist das so schwer zu verstehen?«
»Senator«, sagte sie, »von deinem Gerede wachsen vielleicht die Blumen, aber das ist auch alles. Was willst du von mir?«
»Ich möchte wissen, warum du dich so sträubst, mir ein völlig legales Mittel zum Selbstmord zu verkaufen?«
Sie erhob sich, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen, grazil aus ihrem Schneidersitz. Sie war größer, als ich vermutet hatte. Auf nackten Füßen stehend, konnte sie mir direkt in die Augen sehen. Ihre Augen waren grün, und ihr Blick war frappierend direkt. Sie trat ganz nah an mich heran. Als ausgebildeter Rhetoriker wußte ich, daß sie sich ihre enorme physische Präsenz zunutze machte, um mich einzuschüchtern. Es funktionierte.
»Hör auf damit, Senator. Vokabeln wie ›legal‹ mögen im Senat eine Bedeutung haben. Bei uns gelten sie nichts.« Ihr Atem duftete süßlich nach Gewürznelken.
»Was soll das heißen?« fragte ich.
»Das soll heißen, daß ich nicht wie Harmodia enden will«, gab sie zurück, »genausowenig wie irgend jemand sonst auf diesem Markt. Du kannst es versuchen, wo du willst. Niemand wird dir verkaufen, was du suchst.«
»Wer ist Harmodia?« fragte ich. »Und woher die plötzliche Zurückhaltung bei Giften?« Doch ich redete bereits auf ihren Rücken ein. Sie trat grazil auf ihre Matte und drehte sich anmutig wie eine Tänzerin, bevor sie sich sanft wie eine Wolke niederließ. Wenn ich das versuche, knacken meine Knie immer wie Äste im Feuer.
»Das Thema ist beendet, Senator«, erklärte sie mit Entschiedenheit. »Es sei denn, du willst dir deine Zukunft vorhersagen lassen.« Jetzt umspielte ein Lächeln ihre Mundwinkel, und ich überlegte, ob sie mich in Verlegenheit bringen wollte.
»Warum nicht?« meinte ich.
»Dann setz dich hierher.« Wie eine Königin, die dem römischen Botschafter einen Platz anbietet, wies sie auf eine Matte vor sich. Ich sank auf die Strohmatte, wobei ich mir Mühe gab, keine allzu unbeholfene Figur zu machen. Unsere Knie berührten sich fast. Sie griff hinter sich und zog ein uraltes, ovales Bronzetablett hervor, in das Hunderte von kleinen Figuren ziseliert waren, eine
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