Tödliche Saturnalien
gekauft hatte. Adelige Straftäter wie sie trafen oft nur unzureichende Maßnahmen, ein Verbrechen zu vertuschen, weil sie sich außerhalb jeden Verdachts wähnten oder doch zumindest jenseits jeglicher Strafverfolgung.
In dem Moment, in dem die Tür aufging, wußte ich, daß mir ein interessanter Abend bevorstand. In der Vergangenheit hatte Clodia ihrem Geschmack nur in ihren eigenen Gemächern frönen dürfen, während die Ausstattung des übrigen Hauses metellisch trist und muffig gewesen war. Doch derlei Arrangements hatten sich mit dem Rauch von Celers Leichnam in Luft aufgelöst.
Der Janitor, der uns die Tür öffnete, sah aus wie eine jener griechischen Statuen athletischer Epheben, nichts als fließende Muskeln, perfekte Haut und dichte Locken. Mit Ausnahme seines Haupthaars waren alle Härchen ausgezupft, eine verbreitete Mode unter hochgeborenen Damen, jedoch bei Männern mit Ausnahme ägyptischer Sklaven nur selten anzutreffen, und dieser Junge war ganz offensichtlich kein Ägypter. Clodias einzige Konzession an die Schicklichkeit war ein hauchdünnes Säckchen, das seine Genitalien verhüllte, gehalten nur von einem schmalen Band um seine Hüften. Ansonsten war er nur noch mit einem vergoldeten und juwelenbesetzten Halsring bekleidet, mit dem er an den Türpfosten gekettet war.
»Willkommen, Senator«, sagte der Junge lächelnd und zeigte seine perfekten, weißen Zähne. »Meine Herrin und ihre Gäste sind im Triclinium.«
Wir durchquerten das Atrium mit seinen angrenzenden Räumen und den Nischen für die Totenmasken der Vorfahren und kamen ins Peristylium, normalerweise ein Raum unter freiem Himmel, heute jedoch mit einer kunstvoll gespannten und mit goldenen Sternen verzierten Plane überdacht, um die kühle Abendluft abzuhalten. Am Teich stand neuerdings die anmutige Skulptur eines tanzenden Fauns, im Wasser tummelte sich ein fetter Zierkarpfen. Zwischen den Säulen hingen wunderschön geflochtene kampanische Lampen an Ketten von der Decke.
Wohin das Auge auch blickte, überall sah man prachtvolle Werke der Kunst und des Kunsthandwerks. Doch ich bemerkte auch, daß Clodia sich die Mühe gespart hatte, die Bodenmosaike im modernen Stil erneuern zu lassen. Es lohnte sich nicht, weil sie nicht hierbleiben würde und nur die transportablen Schätze mitnehmen konnte.
»Decius!« Clodia nahte in einem Gewand, das um ihren Körper schwebte wie farbige Luft. Sie war noch immer eine der schönsten Frauen Roms, ihr Körper auch mit dreiunddreißig Jahren noch von keiner Schwangerschaft gezeichnet, was ihre Vorliebe für fast transparente Seidengewänder erklärte. Sie hatte ein jugendliches Gesicht, verunziert lediglich durch eine gewisse Härte um Mund und Augen. Im Gegensatz zu vielen anderen Frauen pflegte sie einen äußerst sparsamen Umgang mit Kosmetika.
»Wie schön, dich zu sehen«, rief sie und faßte meine Hand mit beiden Händen. »Unsere letzte Begegnung liegt schon viel zu lange zurück. Fausta hat mir alles über deine alexandrinischen Abenteuer erzählt. Die Geschichten vom dortigen Hofleben klingen wundervoll.« Clodia und Fausta waren beste Freundinnen, obwohl Fausta demnächst Milo heiraten sollte, den erbittertsten Feind Clodius’. Politik …
»Ich bin sicher, Prinzessin Berenike würde dich wie eine Königin empfangen, wenn du dich zu einem Besuch entschließen solltest«, versicherte ich ihr. Berenike war noch verrückter als der Durchschnitt des ägyptischen Königshauses.
»Komm und laß mich dir meine anderen Gäste vorstellen. Einige von ihnen müßtest du schon kennen«, sagte Clodia.
»Nur zu«, sagte ich. »Aber irgendwann im Laufe des Abends muß ich dich unter vier Augen sprechen.«
»Ich weiß«, flüsterte sie verschwörerisch. Sie liebte Verschwörungen. »Aber du darfst das Thema nicht während des Essens ansprechen. Oh, Decius, ich bin ja so froh, daß ihr diesen albernen Streit beigelegt habt!« Ich fand, daß sie ein wenig dick auftrug, selbst für ihre Verhältnisse. Andererseits war Mäßigung grundsätzlich nicht ihre Sache, warum also sollte sie ausgerechnet bei der Unaufrichtigkeit damit anfangen. »Und jetzt komm«, sagte sie, hakte sich bei mir unter und führte mich ins Triclinium, in dem erkennbar ein paar bauliche Veränderungen vorgenommen worden waren.
Die behagliche Enge eines schlichten Speiseraums hatte Clodia nicht gefallen, also hatte sie einige Innenwände herausschlagen und aus drei Räumen einen machen lassen. Wenn ich mich recht an die
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