Tödliche Saturnalien
Regierungssystem war in der Tat unpraktisch und überholt. Ursprünglich sollte es eine zu große und damit gefährliche Machtkonzentration in den Händen eines Mannes verhindern. So vernünftig die neue Regelung klang (und ich hegte keinerlei Zweifel, daß sie Caesars und nicht Vatinius’ Idee war), so sehr mißfiel mir die Vorstellung, daß jemand über einen so langen Zeitraum so viel Macht bekam. Nach fünf Jahren würden, vor allem nach einem siegreichen Kampf, alle Legionen in Gallien einzig Caesar und niemand sonst gehorchen. Das war zugegebenermaßen nichts Neues. Auch Pompeius’ Legionen gehörten ihm, nicht Rom.
Clodia zog mich weiter. »Ich bin sicher, du kennst den Aedilen Calpurnius Bestia«, flötete sie.
»Wir haben uns heute morgen erst getroffen«, sagte Bestia. »Hast du deine Wahrsagerin gefunden, Decius?« Sein fleischiges, intelligentes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, als er meine Hand nahm.
»Eine Wahrsagerin?« fragte Clodia, eine Braue hochziehend, mit einem Seitenblick zu mir. »Du hast dich verändert, Decius. Was ist aus deinem berühmten Skeptizismus geworden?«
»Das liegt an Ägypten«, erklärte ich. »Das Land bringt einen in Kontakt mit den Phänomenen des Außerirdischen.«
»Komm mit, Decius«, sagte sie und zerrte an meinem Arm. »Wenn du mich schon anlügst, kannst du dich dabei wenigstens betrinken, damit du überzeugender wirkst.« Sie führte mich an einen Tisch mit kleinen Krügen und gab mir einen davon. »So, wen hast du bis jetzt noch nicht getroffen?« Während sie den Raum absuchte, stellte ich meinen Krug unauffällig ab und nahm einen anderen. Sie wies auf eine kleine, überwältigend sinnliche junge Frau, die auf uns zukam.
»Decius, kennst du Fulvia? Sie und mein Bruder werden heiraten.«
»Ja, wir haben uns vor etwa zwei Jahren kennengelernt«, erklärte ich schluckend. »Du bist schöner denn je, Fulvia, wenn das überhaupt möglich ist. Obwohl ich angenommen hatte, daß du mittlerweile verheiratet wärst.« Sie sah wirklich hinreißend aus, das weißblonde Haar mit Schildpattkämmen und Nadeln nach der neuesten Mode hochgesteckt.
»Clodius plant unsere Hochzeit nach seiner Amtsübernahme«, schnurrte sie. Ich erinnerte mich an ihre weiche, Herzklopfen verursachende Stimme. »Es soll eine gigantische Feier für die ganze Stadt geben mit Spielen, freiem Essen und Trinken und kostenlosem Besuch aller Bäder für den ganzen Monat.«
»Hört sich an wie ein rauschendes Fest.« Ich unterließ die Frage, was das Ganze wohl kosten und – vor allem – wer das bezahlen würde.
»Er hat über hundert Gladiatoren aus Capua engagiert, die nach Rom kommen und gegen eine Mannschaft der Statilischen Schule antreten sollen«, fuhr Fulvia mit ganz unmädchenhaftem Entzücken fort.
»Eine Munera zu einer Hochzeit?« fragte ich entsetzt.
»Oh, streng genommen wird die Munera zu Ehren unseres verstorbenen Vaters abgehalten, damit alles hübsch legal bleibt«, erklärte Clodia. »Ein Tag der Zeremonien ist allein diesem Zweck gewidmet, obwohl natürlich jedermann wissen wird, daß es ein Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten ist.«
»Und ich bin sicher, es wird Clodius grenzenlos populär machen«, sagte ich.
»Er ist sowieso schon der populärste Mann Roms«, schaltete Clodia sich wieder ein. »Diese Spiele sowie seine weiteren Maßnahmen werden ihn zum König von Rom machen.«
Genau das hatte ich hören wollen. Ja, es schien unbedingt empfehlenswert, das nächste Jahr so weit weg von Rom wie nur möglich zu verbringen. Natürlich nur wenn ich dieses Jahr überleben würde. Ich wollte gerade eine unüberlegte Bemerkung über den alljährlich geopferten König der Narren machen, als mich die Ankunft eines weiteren Gastes rettete. Es war niemand anderes als Marcus Licinius Crassus Dives, nach Caesar und Pompeius der Dritte der großen Drei und reicher als die beiden anderen und die restliche Welt zusammen. Ich übertreibe natürlich, aber er war wirklich schrecklich reich. Clodia schleifte ihn zu mir.
»Seit wann bist du zurück, Marcus?« frohlockte sie. Offenbar noch ein Heimkehrer. »Als ich die Einladungen verschickt habe, hatte ich nicht damit gerechnet, daß du in Rom bist. Was für ein Glück, daß du doch zu Hause warst!« Sie machte sich nicht die Mühe, uns bekannt zu machen. Jeder wußte, wer Crassus war, und wenn er einen nicht kannte, war man es wahrscheinlich nicht wert, gekannt zu werden.
»Meine Teure, du weißt doch, ich wäre auch von Kampanien
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