Tödliche Saturnalien
und wies auf seinen Gast. »Ich glaube, du und Publius Sestius kennt euch?«
Jetzt fiel es mir wieder ein. »Natürlich. Wir waren gemeinsam Quaestoren in dem Jahr, als Cicero und Antonius Hibrida Konsul waren.« Ich streckte meine Hand aus, und Sestius ergriff sie. »Wir haben uns nur selten getroffen. Soweit ich weiß, hattest du das beste Wahlergebnis und wurdest dem persönlichen Stab der Konsuln zugeteilt. Ich war mit dem Staatsschatz betraut.«
»Ein denkwürdiges Jahr«, meinte Sestius, und das war eine diplomatische Untertreibung. Er sah aus wie ein Aristokrat, der sich gern prügelte. Das gleiche hätte man vermutlich von mir sagen können.
Milo klatschte in die Hände, und ein Schläger brachte ein Tablett mit einem Krug Wein und Bechern sowie den üblichen Nüssen, getrockneten Feigen, Datteln, Dörrerbsen und so weiter. Trotz seines Reichtums hielt sich Milo keine niedlichen Serviermädchen, kultivierte Hausdiener oder Unterhaltungskünstler. Jedes Mitglied des Personals war in erster Linie nach seiner Fähigkeit ausgewählt, das Haus und seinen Herrn im Notfall verteidigen zu können.
»Publius und ich arbeiten gerade eine Wahlkampfstrategie für die nächsten Tribunatswahlen aus«, sagte Milo. »Wahrscheinlich brauchen wir fast unsere gesamte Amtszeit, um den Schaden zu beheben, den Clodius im nächsten Jahr anrichten wird. Er wird Cicero ins Exil schicken, also müssen wir ihn zurückholen. Und das wird ein hartes Stück Arbeit.«
»Ich hatte gerade eine denkwürdige Begegnung mit Clodius«, sagte ich und warf Sestius einen bedeutungsschweren Blick zu.
»Und du lebst noch?« sagte Milo. »Du kannst ganz offen sein, Publius ist auch kein Freund von Clodius.«
Ich erzählte ihnen kurz von dem seltsamen Gespräch mit Clodius. Milo lauschte mit der üblichen intensiven Aufmerksamkeit, nie entging ihm auch nur eine Nuance des Gesagten. Als ich geendet hatte, warf er eine Handvoll gesalzener Erbsen in seinen Mund.
»Ich fürchte, du wirst Clodius wohl kaum zu einem glücklichen Menschen machen«, sagte er schmatzend. »Diese Hexe hat Celer vergiftet, das ist so sicher wie der tägliche Sonnenaufgang.«
»Warum?« fragte ich. »Sie ist böswillig und hat ihren Mann verachtet, aber mit irgend jemandem mußte sie ja verheiratet sein, und Celer war nicht halb so schlimm wie die meisten Männer, mit denen man sie sonst hätte verkuppeln können. Er hatte ein prachtvolles Haus, und ließ sie so ziemlich tun und lassen, was sie wollte.« Damit galt die Ehe in meinen Kreisen als glücklich.
»Aber zuletzt ist Celer ein bißchen arg feindselig gegenüber ihrem kleinen Bruder gewesen«, erwiderte Milo.
»Das ist richtig«, pflichtete Sestius bei. »Decius, du bist zu lange nicht mehr in Rom gewesen. Metellus Celer hat sich als Konsul im vergangenen Jahr Clodius’ Antrag widersetzt, zum Plebs überzutreten. Er war bestimmt nicht der einzige, aber er ist in der Sache recht brutal vorgegangen. In den letzten Monaten seiner Amtszeit hat er jegliche Mäßigung vermissen lassen.«
»Muß ja ein ganz schön turbulentes Jahr gewesen sein«, bemerkte ich. »Wie ich höre, haben Caesar, Pompeius und Crassus ihre politischen Meinungsverschiedenheiten beigelegt.«
»Zumindest zeitweilig«, meinte Milo. »Aber das wird nicht halten. Doch für den Augenblick ruhen die üblichen Fehden. Caesar hat Clodius’ Übertritt zum Plebs geregelt und ihm damit den Weg ins Tribunat geebnet. Er hat ihn von einem Mann namens Fonteius adoptieren lassen, und rate mal, wer der Vorsitzende Augure bei dieser Adoption war.«
Ich ging im Kopf die Liste der Auguren durch, die noch lebten und sich in Italien aufhielten. »Doch nicht etwa Pompeius?« rief ich.
»Pompeius Magnus höchstpersönlich«, bestätigte Milo.
»Die Welt wird immer seltsamer«, sinnierte Sestius. »Wenn man sich nicht einmal mehr darauf verlassen kann, daß sich diese Leute gegenseitig an die Gurgel gehen, worauf dann überhaupt noch?«
»Die Dinge werden sich bald wieder normalisieren«, sagte Milo. »Clodius wird im nächsten Jahr ein derartiges Chaos anrichten, daß die Leute eine Rückkehr zur gesetzlichen Ordnung verlangen werden.«
Da hatte ich meine Zweifel. »Clodius ist geradezu unverschämt populär«, wandte ich ein. »Ist es wahr, daß er die kostenlose Getreideverwaltung zu einem Bürgerrecht machen will?«
»Ein wirklich radikales Konzept, was?« meinte Sestius.
»Mit diesem Versprechen hat er die Tribunatswahlen schon gewonnen«, meinte Milo und
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