Tödliche Saturnalien
zufrieden?«
»Absolut.«
»Diese Männer wollen Könige sein«, wetterte er weiter. »Wir haben die ausländischen Könige vor mehr als vierhundert Jahren rausgeworfen. Warum sollten wir jetzt eine einheimische Variante desselben Gewächses wollen?«
»Du bist ein Mann nach meinem Herzen«, erklärte ich ihm, und so war es, wenn er es ernst gemeint hatte. Ich verabschiedete mich und schlenderte nachdenklich davon. Er entsprach nicht dem, was ich erwartet hatte, aber es ist immer töricht anzunehmen, daß die Menschen den eigenen Vorurteilen entsprechen. Was er sagte, klang jedenfalls ganz vernünftig, sogar richtiggehend sympathisch. Aber Rom war voller plausibler, liebenswerter Gauner.
Flavius war schon eher der Typ, dem ich eine Verwicklung in eine solche Geschichte zutraute: die Art brutal aggressiver Tribun, die das Leben der höheren Beamten zur Qual machten. Deswegen wollte ich auch gerne glauben, daß er Teil einer Intrige zur Vergiftung Celers war, was natürlich ein ebenso dummer Gedankengang war. Der Wunsch, etwas zu glauben, ist der größte Quell menschlichen Irrtums, hatte mir ein Philosoph einmal erklärt.
Ich hatte das Gefühl in einer Sackgasse gelandet und mit meinen Fragen am Ende zu sein. Das Jahr ging rapide zu Ende, und bisher hatte ich niemanden zufrieden gestellt. Ich hatte lediglich herausgefunden, daß Celer tatsächlich vergiftet worden war. Clodias Schuld oder Unschuld war nach wie vor unbewiesen. Clodius würde ungeduldig werden, genau wie die Ältesten meiner Familie. Gallien sah von Minute zu Minute verlockender aus.
»Schon so früh auf den Beinen?« Eine kleine, verschleierte Gestalt stand plötzlich neben mir.
»Julia!« rief ich erfreut. »Du wirst es kaum glauben, aber ich war schon vor Anbruch der Dämmerung wach … na ja, jedenfalls kurz nach Sonnenaufgang, und habe bereits hart gearbeitet. Wie bist du Aurelia entwischt?«
»Am Tag nach den Saturnalien fühlt sich Großmutter nie besonders wohl. Das Bedienen der Sklaven regt sie jedesmal schrecklich auf.«
»Wie überaus unrömisch«, bemerkte ich. »Von einer derart distinguierten Matrone kann man größeren Respekt vor unseren Traditionen verlangen.«
»Ich werde es ihr ausrichten«, erwiderte Julia. »Wo können wir reden?«
»Es herrscht kein Mangel an ruhigen Plätzen«, sagte ich. »Nicht einmal das Forum ist heute vormittag besonders bevölkert.«
Schließlich landeten wir in dem wunderschönen Säuleneingang des kleinen Venustempels an der Via Sacra unweit des Janus-Tempels. Genau wie der Tempel der Vesta war auch der Venus-Tempel rund wie die Hütten, in denen unsere Vorfahren gelebt hatten. Der Ort war völlig menschenleer, da zu dieser Jahreszeit keine Riten zu Ehren der Göttin zelebriert wurden.
Von unserem Platz aus konnten wir die Tore des Janustempels sehen. Das heißt, wir konnten das uns zugewandte Portal sehen, denn der Tempel hat an beiden Seiten Türen. Die Tore standen wie üblich offen. Nur zu Friedenszeiten, wenn römische Soldaten nirgendwo auf der Welt in Feindseligkeiten verwickelt waren, wurden sie geschlossen, also nie.
»Und jetzt erzähl mir, was du getrieben hast«, verlangte Julia. Ich hatte das Gefühl, daß sie sich viel zu schnell daran gewöhnte, derartige Forderungen zu stellen.
»Die Stunden seit unserem gestrigen Abschied waren überaus ereignisreich und mehr als rätselhaft«, erklärte ich ihr.
»Erzähl mir alles. Wahrscheinlich entdecke ich eher einen Sinn darin als du«, drängte sie.
Also begann ich mit dem Treffen nach dem Sklavenbankett in Vaters Haus. Julia runzelte die Stirn, als ich ihr vom Verlauf des Gespräches berichtete.
»Du meinst, sie haben diese … diese Abscheulichkeit behandelt, als wäre es nichts weiter als eine der üblichen politischen Peinlichkeiten?«
»So sehen diese Männer alles«, bestätigte ich.
»Aber mein Onkel ist Pontifex Maximus!« empörte sie sich. »Wie kann er diese Verletzung unserer heiligsten Gesetze so leichtfertig abtun?«
»Meine Liebe«, erklärte ich ihr, »das höchste Pontifikat ist mittlerweile nicht mehr als ein weiteres politisches Amt. Es ist allgemein bekannt, daß Gaius Julius es sich durch eine Bestechungskampagne gesichert hat, wie sie in Rom selbst in unseren dekadenten Zeiten ihresgleichen sucht.«
»Das kann ich nicht glauben, obwohl ich zugeben muß, daß es mich schockiert, daß diese Tat wie ein Kavaliersdelikt behandelt wird. Das muß daran liegen, daß er ganz mit seinem Feldzug nach Gallien
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