Tödliche Saturnalien
nicht leiden konnte. Damit mußte ich wohl leben. Ich hatte derartige Belastungen auch bisher gut verkraftet. Ich trat ins Sonnenlicht und machte mich auf den Weg, einen weiteren zu provozieren. Zurück über das Forum, vorbei am Circus Maximus und den Hang des Aventin hinauf bis zum Tempel der Ceres. Der ältliche Freigelassene und der Sklavenjunge, die ich vor zwei Tagen dort getroffen hatte, waren noch immer da, ein Aedile jedoch war nicht anwesend. Ich fragte nach Murena, wobei ich die Befürchtung hegte, daß er noch immer zu Hause im Bett lag und wie die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung seinen schweren Kopf pflegte.
»Der Aedile Gaius Licinius Murena«, erklärte mir der Freigelassene gewichtig, »ist heute morgen auf dem Juwelenmarkt.«
Also machte ich mich auf die Suche nach ihm. Ich wartete eine Weile auf der Treppe vor dem Tempel für den Fall, daß der Sklavenjunge herausgerannt käme, um mir weitere wichtige Informationen zu verkaufen. Schließlich gab ich es auf und machte mich auf den nächsten langen Marsch. Egal wie minutiös ich auch plante, am Ende schien ich doch wieder nur unablässig hin und her zu rennen.
Auf dem Juwelenmarkt wurden nicht nur Juwelen verkauft, sondern auch andere teuere Luxusartikel wie Seide, Parfüm, erlesene Vasen, kostbar gearbeitete Möbelstücke und zahlreiche andere Dinge, die ich mir nicht leisten konnte. Die Händler hatten ihre Waren auch nicht in beengten Buden oder Zelten ausgebreitet, die sie täglich auf- und abbauten. Der Juwelenmarkt war ein weitläufiger, schattiger Säulengang, wo die Händler den wohlhabenden Kunden ihr Angebot in eleganter und entspannter Atmosphäre präsentieren konnten. Hier gab es keine lärmenden Marktschreier, und selbst die vornehmsten Damen konnten ihre Sänften verlassen und durch die große Arkade schlendern, ohne angerempelt zu werden oder sich zu großer Nähe zu den ungewaschenen Massen auszusetzen. Der prachtvolle Säulengang gehörte dem Staat, und die Händler sicherten sich ihre beneidenswerten Standplätze durch die Entrichtung regelmäßiger Gebühren, von denen gewöhnlich auch ein Teil an den Fingern der Aedilen kleben blieb.
Unter der spärlichen Käuferschar jenes Morgens war Murena in der purpurgestreiften Toga des curulischen Aedilen leicht zu entdecken. Als ich auf ihn zuging, sprach er grade mit einem Syrer, der eine fantastische Sammlung von Goldketten ausstellte, von haarfeinen Exemplaren für den Hals einer Dame bis zu massiven Gliedern, mit denen man problemlos einen gefangenen König anketten konnte. Ich dachte mir, daß Murena bestimmt noch ein paar Bestechungsgelder kassierte, bevor er seinen curulischen Stuhl zusammenklappen und seine Toga praetexta ablegen mußte.
»Hast du einen Moment Zeit für mich, Aedile?« fragte ich ihn.
Er drehte sich lächelnd um. Murena war ein paar Jahre älter als ich und hatte ein einnehmend häßliches Gesicht. »Womit kann ich dienen, Senator?«
Ich leierte meine übliche Einleitung herunter und erklärte ihm die Eckpunkte meiner Untersuchung. »Im Laufe meiner Ermittlungen bezüglich des möglichen Verkaufs von Giften bin ich auf den Namen Harmodia gestoßen, eine Marserin, die einen Stand unter den Bögen des Circus Flaminius hatte. Sie wurde am Morgen der Iden des November tot aufgefunden, ermordet. Ein Nachtwächter des Circus hat den Mord beim Tempel der Ceres gemeldet, und du hast in der Sache ermittelt. Anschließend hast du einem Sekretär einen Bericht diktiert und abgelegt. Ist das so weit richtig?«
»Ich kann mich an den Vorfall erinnern«, meinte er. »Ja, du hast recht, was meinen Teil in der Sache angeht. Warum ist die Frau so wichtig?«
»Mir liegen klare Beweise dafür vor, daß die Frau das Gift verkauft hat, das in einem Mord verwendet wurde, den ich untersuche«, behauptete ich. »Ich glaube, man hat sie ermordet, um sie zum Schweigen zu bringen.«
»Dafür sind diese Hexen berüchtigt«, meinte er. »Die Stadt wäre besser dran, wenn man sie ein für allemal vertreiben würde.«
»Mag sein. Zwei oder drei Tage nach dem Mord«, fuhr ich, zum Kern der Sache kommend, fort, »hast du einen Sklaven zum Tempel der Ceres geschickt und dir die Akte über den Tod der Frau bringen lassen, um dem Praetor Urbanus Bericht zu erstatten, ist das richtig?«
Murena runzelte die Stirn. »Nein, ich habe in dieser Sache nie Bericht erstattet.«
»Nicht?« Eine weitere unerwartete Wendung in einem Fall, in dem es der unerwarteten Wendungen schon mehr als
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