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Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition)

Titel: Tödliche Seilschaft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Traber
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St.
Maria, in den Fels hineingebaut, die Ruine der Burg Wolkenstein, nur noch klägliche
Überreste. Zur Zeit Oswald von Wolkensteins stieg man noch nicht zum Vergnügen auf
Berge. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kamen Bergtouren auf, und die ersten
Alpengänger, vor allem Engländer, ließen sich mit Fuhrwerken in die Täler fahren
und schickten Pakete mit frischer Wäsche voraus in die Dörfer.
    »Dort unten
in den Felsen beginnt der Klettersteig, die ferrata« , erklärte Alex. Er holte
aus dem Kofferraum Karabiner und ein dickes rotes Seil. Eva bekam plötzlich so heftig
wie nie zuvor ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend: Startfieber. Sie band
nochmals die Schuhe, schlüpfte in einen Pullover und eine Windjacke.
    Alex knüpfte
das Seil um ihre Taille, befestigte es mit einem Karabiner und zeigte ihr, wie sie
ihn sichern musste, wenn er vorauskletterte.
    »Du bist
ja ganz bleich«, sagte er erstaunt, »hast du Angst? Es ist keine Hexerei. Den nächsten
Griff musst du erst aussuchen, wenn du eine stabile Position hast. Stochere nicht
blind mit den Füßen herum, sondern beobachte auch die Füße, ein guter Tritt ist
meist wichtiger als ein Griff. Versuche, den Körper immer möglichst leicht gebogen
zu halten, und recke die Arme nicht zu weit seitwärts oder zu sehr in die Höhe,
wenn du Halt suchst. Zuerst denken, dann klettern. Wenn du lange umsonst nach einem
geeigneten Griff Ausschau hältst, ist er meist direkt vor deiner Nase. Du kannst
sogar den Daumen mitbenutzen. Griffe müssen nicht ausgepresst werden wie Zitronen,
wende nur soviel Kraft an, wie erforderlich ist.«
    Er schien
leicht irritiert über ihr verunsichertes Gesicht und setzte hinzu: »Mach jetzt kein
Theater, es wird schon schief gehen.«
    Sie schwieg,
presste die Lippen zusammen. Wie hätte sie nicht Angst haben sollen – zum
ersten Mal am Seil. Sie wusste nicht einmal sicher, ob sie schwindelfrei und trittsicher
war, hatte angenommen, zuerst werde sie die Anfangsbegriffe des Kletterns üben können,
irgendwo an einem harmlosen Felsen. Aber diese ferrata über ihr schien trotz
der Tritte, Leitern und Eisenstangen eine endlos steile, in ihren Augen fast überhängend
scheinende Riesenwand, die ins Unendliche reichte. Würde sie dort je hinaufgelangen?
Wie stand es mit dem Risiko von Steinschlag in diesem Klettersteig?
    So war das
immer mit Alex. Er nahm – ohne böse Absicht – keine Rücksicht, er vergaß oder übersah
einfach, dass Eva Anfängerin war. Klettern schien für ihn so einfach zu sein wie
Atmen, er dachte nicht daran, dass es für jemanden schwierig sein könnte. Und sie
– war so verliebt, dass sie alles mit Alex teilen wollte. Seilgefährten sein. Eine
Seilschaft bilden, aufeinander angewiesen sein am Berg und anderswo. Die Metapher
gefiel ihr. Für Zaghaftigkeit oder gar Furcht blieb kein Platz. Eva spielte einmal
mehr die Tapfere, die immer die Zähne zusammenbiss, und wollte vor allem nicht an
ihren Sturz am Kesselkogel denken, obwohl der Schock noch lange nicht überwunden
war.
    Wenige Jahre
später hätte sie sich völlig anders verhalten und entrüstet ausgerufen:
    »Dort hinaufklettern?
Bist du wahnsinnig? Ich habe das nie gelernt und bin körperlich zu wenig trainiert.
Für den Anfang scheint mir dieser Klettersteig viel zu schwierig. Ich muss erst
ein paar Griffe üben können, du solltest das als Kletterlehrer besser wissen als
ich, Alex. Es ist unverantwortlich, mich da gleich beim ersten Mal mit hinaufzuschleppen.
Geh du nur hinauf, wenn es dich drängt. Ohne mich. Ich warte unten, bis du zurückkommst.
Zudem hab ich den gefährlichen Sturz auf der letzten Tour noch in den Knochen, ich
brauche erst mal Zeit, darüber hinwegzukommen. Ein Glück, dass ich das heil überstanden
habe. Es ist mir völlig egal, was du jetzt von mir hältst.«
    Doch damals
hatte sie (noch) sportlichen Ehrgeiz und vor allem wollte sie ihren Freund nicht
enttäuschen, sondern mit ihm mithalten, ihn, wenn möglich, beeindrucken. Schließlich
war sie keine Flachländerin, sondern kam aus der Schweiz, aus dem Berner Oberland,
und Berge waren ihr vertraut. Hatte sie das nicht immer stolz behauptet?
     
    Da stand sie nun unten an der ersten
Wand der Ferrata Brigandi und verfolgte aufmerksam jede Bewegung, jeden Handgriff
und jeden Tritt von Alex, der voranging. Sie versuchte, sich die wichtigsten Regeln
nochmals einzuprägen:
    Nie mehr
als ein Glied – Hand oder Fuß – auf einmal bewegen!
    Aus einer
stabilen Position heraus den

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