Tödliche SMS (German Edition)
gewesen. Hier hatte sie mit Silke gelacht, geweint, manchmal nächtelang diskutiert, gekocht und mehrere Flaschen Wein getrunken. Aber sie dachte nicht daran, das alles diesem Inspektor zu erzählen, deshalb fragte sie lediglich: „Kann ich Frühstück machen?“
„Klar. Ich muss aber darauf bestehen, dass Rita Sie die ganze Zeit über begleitet.“ Er grinste breit. „Auch wenn Sie aufs Klo gehen.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ist nun mal so! Sorry.“
Andrea nickte beiläufig, dachte ARSCHLOCH und hoffte, dass es nicht so weit kommen würde. Außerdem war sie viel zu müde und abgekämpft und hatte keine Lust über irgendwelche blöden Vorschriften zu diskutieren.
Von der Küche aus hatte sie einen schönen Blick auf das Dach des Hauses auf der gegenüberliegenden Seite. Die beiden Tauben saßen innig vereint auf einem Fensterbrett im dritten Stock und pickten Körner, die jemand dort ausgestreut hatte. Kurz überlegte Andrea, wer hinter diesen Fenstern lebte, kam aber nicht darauf. Sie und Silke hatten sich nie viel um die Nachbarn im Haus am anderen Ende des Innenhofs geschert. Genau betrachtet, hielten sie nur zu der alten Dame nebenan näheren Kontakt. Den Rest der Hausbewohner kannten sie kaum bis gar nicht.
„Mögen Sie Tauben?“, fragte Andrea in die Stille der Küche hinein, ohne den Blick von den Vögeln abzuwenden.
Die Polizistin verstand nicht recht. „Ähm, wie? Also … hm … ich denke … nein.“
Andrea deutete Rita Schuhmann näher zu kommen. „Sehen Sie die beiden da am Fensterbrett?“
Die Polizistin trat neben Andrea ans Fenster, blickte hinaus und nickte.
„Das sind Türkentauben. Man erkennt es deutlich an ihrem schwarzen Nackenring. Die beiden leben schon seit Jahren zusammen. Tauben bleiben ein Leben lang zusammen, ziehen gemeinsam den Nachwuchs auf.“ Andrea sah die Polizistin beiläufig an. „Silke und ich … wir haben ihnen Namen gegeben.“ Sie lachte kurz auf, bevor sie weitersprach. „Harry und Sally. Originell, nicht wahr? Kennen Sie den Film?“
„Ja, wer kennt den nicht“, antwortete Rita Schuhmann.
„Ja, genau. Wer kennt den nicht“, bestätigte Andrea. „Eines Tages hat ihnen Silke einen Salat mit Sonnenblumenkernen angerichtet, ohne Dressing natürlich, in Anlehnung an diese berühmte Orgasmus-Szene. Sie hat das Ganze dann auf unserem Fensterbrett verstreut. Es hat mehrere Tage gedauert, bis die beiden den Großteil verputzt hatten. Ich hab die Reste dann heimlich weggeworfen.“ Andrea seufzte, dann drehte sie sich herum und wandte sich dem Kühlschrank zu. „Mögen Sie Spiegeleier?“
„Danke, aber ich habe schon gefrühstückt“, lehnte die Polizistin ab.
„Egal, dann frühstücken Sie eben noch einmal. Ich hasse es zu essen, wenn rundherum Leute stehen und mir dabei zusehen.“
Sie betätigte den Knopf der Kaffeemaschine und plötzlich war da diese Erinnerung. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. „Ich glaube, ich habe etwas Wichtiges vergessen.“
Zwei Minuten später saßen Rita Schuhmann und Remo Bauer am Küchentisch. Während Andrea Spiegeleier mit Toast zubereitete, berichtete sie den beiden von dem Frühstück, das an ihrem Geburtstag in der Küche angerichtet gewesen war.
„Sogar die Kerzen auf dem Kuchen brannten. Was denken Sie? Kann es sein, dass Silke das Frühstück zubereitet hat und danach in dieses Atelier gefahren ist? Vielleicht, um eineÜberraschung vorzubereiten, und dort traf sie dann auf …“ Andrea verstummte, teilte die Eier auf drei Teller auf, legte Toast obenauf und stellte sie auf den Tisch vor der Polizistin und dem Kriminalisten ab. Dann schenkte sie Kaffee in drei Tassen, goss Milch dazu und stellte diese neben die Teller.
Remo Bauer überlegte, wie viel er dieser Frau zumuten konnte, glaubte aber, dass Andrea Reiter eine Frau war, die Wahrheiten bevorzugte. Aber war das in diesem Fall wirklich das Richtige? Hatte diese Frau den Schock schon so weit verarbeitet, dass er ihr reinen Wein einschenken konnte, oder sollte er damit noch einige Tage warten?
Nachdem er Andrea wenige Minuten beobachtet hatte, entschloss er sich dazu, behutsam die Wahrheit zu sagen. „Wir haben zwar noch keinen endgültigen Bericht der Gerichtsmedizin, es ist noch zu früh … die Ergebnisse sind noch nicht vollständig ausgewertet … aber ich würde sagen … also, ich glaube, dass Ihre Freundin früher getötet wurde.“
„Was heißt früher? Wie viel früher? Zehn Stunden, einen Tag, eine Woche?“, fragte Andrea,
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