Tödliche SMS (German Edition)
Liebe zum Kubismus entdeckt, oder zwischen dem Foto in ihren Fingern und diesem Bild gab es eine grausame Verbindung.
Es läutete.
Sie schob die Alben und den Umschlag in die Lade zurück.
Angstschweiß stand auf ihrer Stirn, als sie die Tür öffnete.
Der Schlosser war gekommen, um das Schloss zu tauschen.
Nachdem der Mann wieder gegangen war, wollte Andrea nicht mehr alleine in der Wohnung bleiben. Sie brauchte jemanden zum Reden, jemanden, der ihr dabei half, nicht durchzudrehen. Max fiel ihr ein.
War die Polizei schon bei ihm gewesen? Er hatte ihr erzählt, dass die Dreharbeiten abgeschlossen waren und der Schnitt erst in drei Tagen beginnen würde. Vielleicht auch wegen des Chaos, das Silkes Tod im Haus angerichtet hatte. Jedenfalls war er im Moment der einzige Mensch, mit dem sie über ihre Freundin und das Erlebte sprechen wollte. Weit fort, Flucht, das wäre vielleicht noch vor ein paar Jahren ihr natürlicherReflex gewesen. Doch heute war es anders. Sie war nicht mehr das angepasste, duldsame Mädchen. Nicht mehr diejenige, die jedem Konflikt, jeder Auseinandersetzung aus dem Weg ging, um sich den Status „Sie sind aber nett“ zu bewahren. Heute hatte sie Mut, Selbstvertrauen und durch Silke gelernt, dass auch sie das Recht hatte, ihre eigene Meinung zu sagen. Es durfte auf gar keinen Fall passieren, dass der brutale Mord an ihrer besten Freundin ihre alten Wunden wieder aufriss.
Mit klopfendem Herzen nahm sie ihren schwarzen Mantel von der Garderobe, schlüpfte in ihre Stiefel und stand kurz darauf im Stiegenhaus. Während sie die Stufen ins Erdgeschoß hinabstieg, kramte sie ihr Handy hervor. Sie überquerte den Innenhof und trat gleich darauf vors Haus.
Eisiger Wind schnitt ihr ins Gesicht, die Luft roch bereits nach Schnee, auch wenn dieser wahrscheinlich noch einige Tage auf sich warten lassen würde. Aus den Schornsteinen der Mietshäuser stieg Rauch. Sie stellte den Kragen ihres Mantels auf und warf gleichzeitig einen Blick auf das Display. Im selben Moment wurde ihr heiß und schwindlig zugleich.
Die SMS lautete: Hoffe, es hat dir gefallen.
Einatmen. Ausatmen. Es geht mir gut.
Andrea sank auf den Gehsteig vor dem Haus, in ihren Fingern das Telefon. Was sollte ihr gefallen haben? War damit etwa Silkes Leiche gemeint?
„Kann ich Ihnen helfen?“ Neben ihr stand ein Mann. Er lächelte und bot ihr seine Hand an.
Andrea glaubte ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben, konnte sich aber nicht erinnern. Vielleicht wohnte er auch im Haus.
Sie rappelte sich hoch. „Nein, danke! Geht schon.“
Ohne auf den Helfer zu achten, lief sie weiter zur U-Bahn-Station.
Sie musste zu Remo Bauer, ihm davon berichten. Umständlich kramte sie seine Visitenkarte hervor. Das Kriminalkommissariat lag in der Kopernikusgasse. Zum Glück war das nicht allzu weit entfernt.
Der Inspektor stand im Flur vor seinem Büro und sprach mit einem Mann in Zivil. Andrea konnte nicht erkennen, ob es sich bei dem anderen auch um einen Kriminalisten handelte. Sie musste einen ziemlich verwirrten Eindruck auf Remo Bauer machen, denn er eilte ihr sofort entgegen.
„Was ist passiert?“
Kommentarlos reichte sie ihm ihr Handy. Ein Blick genügte und er begriff. Er rief dem Mann in Zivil etwas zu, fasste Andrea am Arm und dirigierte sie in sein Büro. Dort bat er sie auf einem Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. Er selbst machte es sich in seinem Sessel hinter dem Tisch bequem. Immer noch hielt er ihr Handy in seiner Hand und las sich die Zeilen auf ihrem Display zum dritten Mal durch.
„Was hat das Ihrer Meinung nach zu bedeuten?“, fragte sie.
„Genau kann ich das auch nicht sagen. Aber diese Nachricht wurde zweifellos vom Handy Ihrer Freundin gesendet, zu einem Zeitpunkt, als sie …“ Pause. „Als sie schon tot war.“ Noch einmal besah er das Display. „Eindeutig, 30. Oktober, halb vier Uhr morgens. Warum haben Sie nicht schon früher mit mir darüber gesprochen? Wir waren doch bis vor wenigen Stunden in der Wohnung, haben Sie da nicht einmal auf dieses Ding geschaut? Haben Sie es nicht läuten gehört?“ Aus Remo Bauer sprudelten die Vorwürfe nur so hervor. Fast schon bereute Andrea es, hergekommen zu sein. Aber wohin hätte sie sonst gehen sollen?
Sie wollte ihm nicht von ihrer Zechtour mit Max erzählen und dass sie deshalb heute Morgen noch etwas langsam reagiert hatte. „Glauben Sie, dass ihr Handy …?“
Er nickte. „Es ist einfach alles verschwunden, was man so bei sich trägt.
Weitere Kostenlose Bücher