Tödliche SMS (German Edition)
dann schüttelte sie den Kopf. „Das geht ja gar nicht. Silke hat mir ja noch einige SMS geschickt.“ Dann wurde sie weiß im Gesicht. Augenblicklich ließ sie ihr Besteck sinken.
Instinktiv griff Remo Bauer über den Tisch nach ihrem Arm, denn ihm war klar, dass Andrea blitzartig begriffen hatte. „Aber sie hat … sie hat mir doch noch morgens eine SMS geschickt.“
Auch wenn er sich plötzlich nicht mehr sicher war, das Richtige zu tun, sagte Remo Bauer: „Wir glauben, dass Frau König bereits drei Tage tot war, bevor Sie sie gefunden haben. Sie kann Ihnen also unmöglich all die Textnachrichten geschrieben haben.“
Andrea schwieg. Sie brauchte einige Minuten, um das soeben Gehörte zu verdauen und richtig zuzuordnen. „Seit wann wissen Sie das?“
„Seit einer halben Stunde“, sagte er, dann sah er sich verwirrt in der Küche um. „Haben Sie den Kuchen und das Gebäck alleine gegessen oder in den Kühlschrank gestellt?“
„Was für einen Kuchen und welches Gebäck?“
„Na, das Frühstück von gestern. Sie haben uns doch soeben davon erzählt.“
Der Gedanke daran ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Einatmen. Ausatmen.
Wo zum Teufel war der Kuchen?
5.
Sie fanden weder den Kuchen noch das Gebäck und die Kerzen. Es war alles verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.
Einatmen. Ausatmen. Es geht mir gut.
Auf Remo Bauers Zuruf betrat der junge Polizist, der vor wenigen Minuten noch in Silkes Sachen gewühlt hatte, die Küche. Er legte Fotos auf den Küchentisch. Großteils Aufnahmen, die auf Filmsets gemacht worden waren, und einige mit ihr oder Max, in Wien und Urlaubsbilder.
„Können Sie uns sagen, wer das ist?“, fragte Remo Bauer. Das Foto zeigte Silke und Max vor einem Filmplakat. Die beiden küssten sich leidenschaftlich und Max’ Hand war unter Silkes schwarzem Minirock verschwunden.
Andrea hatte es geschossen. Das war nach der Premiere ihres ersten und letzten gemeinsamen Films. Eine Liebeskomödie. Max hatte Regie geführt und Silke war seine Assistentin gewesen.
Andrea nickte. „Das ist Max Berger. Können Sie sich an den Mann erinnern, der gestern in das Büro der BELLA Film gestürmt kam?“
Remo Bauer bejahte und Andrea zuckte mit den Schultern. „Das ist … oder war Silkes Freund. Die beiden hatten sich vor meiner Übersiedlung nach München getrennt. Max hat mir gestern erzählt, dass sie sich etwa seit zwei Monaten wieder trafen. Unregelmäßig. Das heißt, sie waren zwar zusammen, aber auch wieder nicht.“ Andrea machte eine verzweifelte Handbewegung. „Ach! Ich weiß bald selber nicht mehr, was ist oder was nicht.“
„Wann genau wurde das Foto gemacht?“
„Vor ungefähr zweieinhalb Jahren. Max und Silke hatten sich gerade kennengelernt. Ich habe das Foto gemacht. Sie waren so glücklich und verliebt. Der Film war ihr Baby, verstehen Sie?“ Sie wartete keine Reaktion des Polizisten ab, sondern redete eine Weile, stützte ihren Kopf auf die Hände und sprach über ihre gemeinsame Zeit beim Film. Remo Bauer hörte zu und wartete darauf, was Andrea zu sagen hatte. Sie erzählte von Premieren, zickigen Schauspielern, verpatzten Aufnahmen, nervigen Regisseuren, ärgerlichen Produzenten, von Terminen, die eingehalten werden mussten, Streitereien unter Stabsmitgliedern und von dem Spaß, den sie trotzdem miteinander hatten. Sie zeichnete in Worten Bilder von gemeinsamen Billigreisen quer durch Europa, sprach über Träume, die sie gemeinsam geträumt hatten, über Situationen, die sie zum Lachen gebracht hatten, ihre Wohngemeinschaft und die kleinen und großen Dinge, die ihre Freundschaft widerspiegelten. Über den Geruch Wiens: Sachertorte und Marzipan.
Andrea erzählte und erzählte und Remo Bauer und seine Kollegen hörten die ganze Zeit über schweigend zu. Als Andrea aufgehört hatte zu erzählen und das nicht auffindbare Frühstück allmählich in Vergessenheit geriet, bat Remo Bauer um die Telefonnummer und Adresse von Max. Andrea war überrascht, dass sie beides aufsagen konnte, ohne nachzusehen, obwohl Max ihr erst gestern seine neue Handynummer gegeben hatte und sie beide schon ziemlich betrunken gewesen waren. Die Wohnadresse war dieselbe wie damals.
Bevor die Polizei die Wohnung wieder verließ, legte Remo Bauer ihr eine Liste mit jenen Sachen vor, die sie für weitere Untersuchungen mitnehmen wollten. Ganz obenauf stand Silkes Laptop.
Eine halbe Stunde später saß Andrea alleine auf dem Wohnzimmersofa und hing ihren traurigen Gedanken
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