Toedliche Spiele
reagiere, aber diesmal nicht schnell genug. Der Feuerball streift meine rechte Wade und schlägt neben mir im Boden ein. Beim Anblick meines brennenden Hosenbeins raste ich völlig aus. Ich winde mich auf Händen und Füßen, krabble rückwärts, versuche kreischend, dem Horror zu entkommen. Als ich wieder halbwegs bei Verstand bin, wälze ich das Bein auf dem Boden hin und her und ersticke die Flammen. Ohne nachzudenken, reiße ich mit bloßen Händen den Rest des glimmenden Stoffs ab.
Ich sitze auf dem Boden, ein paar Meter von der Stichflamme entfernt, die der Feuerball ausgelöst hat. In der Wade spüre ich einen brüllenden Schmerz, meine Hände sind mit roten Quaddeln übersät. Ich zittere so sehr, dass ich mich nicht bewegen kann. Falls die Spielmacher mich erledigen wollen, ist jetzt der richtige Zeitpunkt.
Ich höre wieder Cinnas Stimme, die Bilder von üppigen Stoffen und funkelnden Edelsteinen hervorruft: »Katniss - das Mädchen, das in Flammen stand.« Darüber lachen die Spielmacher in diesem Augenblick bestimmt herzlich. Vielleicht haben Cinnas wunderschöne Kostüme sie überhaupt erst auf die Idee dieser besonderen Folter für mich gebracht. Das konnte er nicht vorhersehen und bestimmt tut es ihm weh, denn ich glaube, dass er mich wirklich gern hat. Trotzdem, vielleicht wäre es sicherer gewesen, wenn ich mich splitternackt auf dem Wagen präsentiert hätte.
Die Attacke ist vorbei. Die Spielmacher wollen nicht, dass ich sterbe. Jedenfalls noch nicht jetzt. Jeder weiß, dass sie uns nach dem Eröffnungsgong in wenigen Sekunden töten könnten. Aber der eigentliche Spaß bei den Hungerspielen liegt darin, zuzuschauen, wie sich die Tribute gegenseitig umbringen. Ab und zu töten sie einen Tribut, um die anderen daran zu erinnern, dass sie es können. Doch meistens bringen sie uns dazu, einander Auge in Auge gegenüberzustehen. Wenn ich jetzt nicht mehr beschossen werde, heißt das also, dass zumindest ein anderer Tribut ganz in der Nähe ist.
Wenn ich könnte, würde ich auf einem Baum Deckung suchen, aber der Rauch ist noch immer dicht genug, um mich zu töten. Ich raffe mich auf und schleppe mich von der Feuerwand weg, die den Himmel erleuchtet. Sie scheint mich nicht mehr zu verfolgen, abgesehen von den stinkenden schwarzen Wolken.
Langsam erscheint ein anderes Licht, Tageslicht. Rauchwirbel fangen die Sonnenstrahlen ein. Die Sicht ist schlecht, vielleicht fünfzehn Meter in jede Richtung. Es wäre ein Leichtes für einen Tribut, sich hier vor mir zu verstecken. Eigentlich müsste ich mein Messer ziehen, aber ich bezweifele, dass ich imstande wäre, es lange zu halten. Der Schmerz in meinen Händen ist jedoch kein Vergleich zu dem in meiner Wade. Ich hasse Verbrennungen, habe sie schon immer gehasst, selbst die kleinen, die man sich einhandelt, wenn man ein Brot aus dem Backofen holt. Es war schon immer der schlimmste Schmerz für mich, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.
Ich bin so erschöpft, dass ich den Tümpel erst bemerke, als ich knöcheltief darin stehe. Er wird von einer Quelle gespeist, die einer Felsspalte entspringt, und ist herrlich kühl. Ich tauche die Hände in das seichte Wasser und verspüre sofort Linderung. Hat meine Mutter das nicht auch immer gesagt? Dass kaltes Wasser das beste Mittel bei Verbrennungen ist? Weil es die Hitze herauszieht? Allerdings meinte sie kleinere Verbrennungen und würde das wohl bei meinen Händen empfehlen. Aber was ist mit der Wade? Obwohl ich noch nicht den Mut hatte, sie mir anzuschauen, vermute ich, dass diese Wunde von ganz anderem Kaliber ist.
Eine Weile liege ich auf dem Bauch am Rand des Tümpels, lasse meine Hände im Wasser baumeln, betrachte die kleinen Flammen auf meinen Fingernägeln, die langsam abbröckeln. Gut so. Feuer habe ich für dieses Leben genug gehabt.
Ich wasche Blut und Asche von meinem Gesicht. Dann versuche ich mir alles in Erinnerung zu rufen, was ich über Verbrennungen weiß. Im Saum kommen sie häufig vor, schließlich kochen und heizen wir mit Kohle. Dazu noch die Minenunfälle ... Einmal kam eine Familie mit einem bewusstlosen jungen Mann zu uns und flehte meine Mutter an, ihm zu helfen. Der Distriktarzt, der für die Behandlung der Minenarbeiter zuständig war, hatte ihn aufgegeben und der Familie gesagt, sie solle ihn zum Sterben mit nach Hause nehmen. Aber sie wollten sich nicht damit abfinden. Nun lag er also bewusstlos auf unserem Küchentisch. Ich erhaschte einen Blick auf die klaffende Wunde am
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