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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Anstrengung es gekostet haben musste, wie oft sie eine wunde Kehle gehabt haben musste, um ihrer Stimme ständig einen so unnatürlich tiefen Klang zu geben.
    Und sie musste Zillahs Gesellschaft genossen haben, die Möglichkeit, sich mit einem Mitglied ihres eigenen Geschlechts anzufreunden. Kein Wunder, dass diese Kameradschaft ihr so teuer gewesen war.
    Sacheverall war außer sich vor Wut, hatte aber ausnahmsweise einmal keine Antwort parat.
    »Sie war trotzdem unnatürlich!«, sagte er laut und ärgerlich.
    Der Fall war ihm aus den Händen geglitten. Nichts war so, wie er es sich vorgestellt hatte. Als er heute Morgen hier eintraf, hatte er den Sieg schon in Reichweite gesehen. Jetzt hatte sich alles in eine absurde Tragödie verwandelt.
    »Sie war widernatürlich, vielleicht wahnsinnig…«
    »Das war sie nicht…«, begann Rathbone wütend, aber Sacheverall schrie ihn nieder.
    »Sie hat Mr. Lamberts Großzügigkeit ausgenutzt und das aus den durchschaubarsten Gründen. Sie wollte ihre Karriere fördern, wenn man das eine Karriere nennen darf!« Er stach mit dem Finger in die Luft, und seine Stimme überschlug sich fast.
    »Sie hat ihn getäuscht, hat ihn nach Strich und Faden belogen - und dann hat sie Miss Lambert betrogen und ihre Gefühle missbraucht, aus denselben verabscheuungswürdigen habgierigen Gründen und…« Zillah hatte sich inzwischen wieder erholt und saß reglos auf ihrem Stuhl; die Tränen strömten ihr über die Wangen, obwohl ihr Gesicht vollkommen unbewegt war.
    Sie hatte die seltene Gabe, weinen zu können, ohne ihre Schönheit einzubüßen.
    Barton Lambert erhob sich nun ebenfalls.
    »Seien Sie still!«, befahl er so laut, dass Sacheverall mitten im Satz innehielt. »Er hat sich wie ein Mann gekleidet, in dieser Hinsicht hat er mich getäuscht«, fuhr Lambert fort und senkte die Stimme ein wenig. »Ich habe nicht einen Augenblick daran gezweifelt, dass er ein Mann ist. Aber ich wurde nicht getäuscht, was sein…« Er korrigierte sich, »was ihr Talent betraf. Er war dennoch einer der größten Architekten Europas, und ich schwöre, Sie werden, so lange Sie leben, keinen besseren finden!«
    Sacheverall brach in Gelächter aus, ein hö hnisches, verächtliches und hässliches Geräusch.
    McKeever ließ seinen Hammer herunterfahren, dass es wie ein Gewehrschuss klang.
    »Mr. Sacheverall!« In seinem Gesicht lag seine ganze Abneigung gegen diesen Mann. »Beherrschen Sie sich, Sir! Diese Angelegenhe it ist keineswegs komisch!«
    Sacheverall hörte sofort auf zu lachen.
    »Das ist sie in der Tat nicht, Mylord! Es ist nicht komisch, es ist widerwärtig!« Sein breiter Mund verzog sich auf übertriebene Weise. Er fuchtelte beim Sprechen noch immer mit den Armen. »Jeder anständige Mensch in diesem Saal muss genauso wie ich Verwirrung und Ekel vor diesem widernatürlich, betrügerischen Geschöpf verspüren, das eine Beleidigung für alle ehrenhaften Frauen ist.« Seine Geste bezog den ganzen Raum einschließlich der Gale rie mit ein. »Welche Frau unter Ihnen würde auch nur eine Sekunde lang, auch nur den Bruchteil einer Sekunde, ihr Frausein mit seinen Pflichten und geheiligten Segnungen leugnen oder freiwillig anders sein wollen!« Er riss abermals die Arme auseinander und drehte sich zu den Zuschauern um. »Welche Frau unter Ihnen ist nicht stolz darauf, Gattin und Mutter zu sein! Wollen Sie sich Hosen anziehen und so tun, als seien Sie ein Mann? Wollen Sie leugnen, wer Sie sind, was Sie sind, und Gott, der Sie geschaffen, der Ihnen diese - diese heilige Berufung gegeben hat, ins Gesicht spucken?«
    »Um Himmels willen, so setzen Sie sich doch endlich!« Es war Zillah, die ihm diese Worte zurief und ihn mit tränennassen Augen wütend anstarrte.
    Er beugte sich vor und sah sie leid enschaftlich an. »Meine liebe Zillah«, sagte er und senkte die Stimme, bis sie zärtlich, ja beinahe vertraulich klang. »Ich kann wohl kaum ermessen, welche Qualen Sie durchstehen. Sie sind auf grausamste Weise betrogen worden. Sie sind bei all dieser furchtbaren Maskerade das Opfer gewesen.« Er hob die Hand, als wolle er sie berühren, besann sich dann aber anders. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich Ihren Mut und Ihre Würde während dieses Martyriums bewundere«, fuhr er leise, aber sehr deutlich fort. Er schien den Blick nicht mehr von ihr abwenden zu können. »Die Tatsache, dass Sie sich keinen Ärger und keinen Zorn bei alledem anmerken lassen, ist wahrlich das Zeichen eines edlen Charakters.

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