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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Zuhörer spiegelten ihre Gefühle wider, als sie in Gedanken mit der jungen Frau reisten, träumten, planten.
    »Aber sie liebte auch die östliche Architektur«, fuhr Wolff fort. »Sie bewunderte die Moscheen in der Türkei, ihre Kühle und den Lichteinfall. Die Kuppel der Blauen Moschee faszinierte sie, auch deren Lüftung, die dafür sorgte, dass der Kerzenrauch in dem Gewölbe keine Spuren hinterließ. Sie konnte endlos darüber reden. Ich glaube nicht, dass sie überhaupt bemerkte, ob ich ihr zuhörte oder nicht.«
    Niemand bewegte sich oder machte auch nur das leiseste Geräusch, das eine Störung bedeutet hätte. McKeevers Miene war gespannt.
    »Und als ihr Vater nach Ägypten ging«, fuhr Wolff fort , »ging sie mit ihm. Es war eine vollkommen neue Dimension der Architektur, die sie dort kennen lernte, älter als alles, was sie sich bisher auch nur hätte vorstellen können. Sie stand in den Ruinen Karnaks, als hätte sie eine Offenbarung gehabt. Selbst das Licht war anders. Ich erinnere mich, dass sie das oft sagte. Sie hat immer nach Licht gestrebt, wenn sie etwas baute…« Er hielt jäh inne, als seine Gefühle ihn überwältigten.
    McKeever sah sich langsam im Saal um, wie um die Zuhörer aufzufordern, Wolff Zeit zu geben, die Fassung wiederzugewinnen.
    Rathbone sah zu Barton Lambert hinüber. Er wirkte wie ein Mann in Trance. Sein Blick war glasig, und auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Mitleid und Verständnislosigkeit. Delphine neben ihm schien noch immer außer sich zu sein.
    »Möchten Sie, dass der Gerichtsdiener Ihnen ein Glas Wasser bringt?«, fragte McKeever Wolff. Dann bedeutete er, ohne dessen Antwort abzuwarten, einem der Diener, seiner Anweisung Folge zu leisten.
    »Nein… vielen Dank, Mylord.« Wolff nahm sich zusammen. Er holte tief Luft. »Keelin hat ständig gezeichnet, aber sie hatte kein Interesse daran, Malerin zu werden, obwohl ihr Vater ihr genau das vorschlug. Sie zeichnete nur, um Strukturen festzuhalten, um das fertige Werk auf dem Papier zu sehen. Sie hatte kein Interesse am Zeichnen an sich. Sie wollte ihre eigenen Bauwerke entwerfen, nicht nur die anderer festhalten, ganz gleich, wie wunderbar sie sein mochten. Sie wollte kreieren, nicht kopieren.«
    Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. »Aber natürlich hätte keine Architektenschule eine Schülerin für Studien zugelassen. Sie gab jedoch nic ht auf. Sie fand einen Architekturstudenten, der sich zu ihr hingezogen fühlte, lieh sich seine Bücher und Notizen aus und ließ sich von den Vorlesungen berichten, die er besuchte.« Eine Mischung aus Ironie, Zärtlichkeit und Schmerz drückte sich in seinen Zügen aus. »Schließlich bekam sie eine Assistentenstelle bei einem Professor. Sie hat für ihn die Unterlagen geordnet, seine Notizen abgeschrieben und alles begierig in sich aufgenommen, was er den Männern lehrte, bis ihr nach Jahren schließlich klar wurde, dass sie, selbst wenn sie die Prüfungen bestand, als Architektin niemals anerkannt werden und man ihr als Frau niemals eine Anstellung geben würde. Sie hatte wunderschönes Haar, üppig, weich und fast goldfarben. Sie schnitt es sich ab…« In der Galerie stöhnte eine Frau auf und schloss die Augen.
    Einer der Geschworenen schüttelte langsam den Kopf und blinzelte, um die Tränen zu unterdrücken. Vielleicht dachte er an das Haar seiner Frau oder seiner Tochter.
    »… sie hat sich als Junge ausgegeben«, sagte Wolff, und zum ersten Mal brach seine Stimme. »Nur um eine bestimmte Vorlesung eines Gastprofessors besuchen zu können, um wie ein Student und nicht wie eine Dienstbotin behandelt zu werden, um Fragen stellen zu können, auf die man ihr Antwort geben würde.« Er blinzelte, und seine Stimme wurde leiser. »Es hat funktioniert. Man hielt sie für sehr jung, aber niemand zweifelte daran, dass sie ein Mann war. Sie kam nach Hause und weinte die ganze Nacht. Dann traf sie ihre Entscheidung, und von da an nannte sie sich Killian und war für alle Welt bis auf mich ein Mann.«
    Ein Raunen ging durch den Raum. Mehrere Zuschauer rutschten auf ihren Stühlen hin und her, - Leder quietschte, und Stoff raschelte. Niemand sagte etwas, es sei denn in einem Flüsterton, der so leise war, dass man ihn in der allgemeinen Unruhe nicht hören konnte.
    »Solche Dinge sind schon früher vorgekommen«, setzte Wolff seinen Bericht fort. »Frauen mussten sich als Männer verkleiden, um die Talente zu nutzen, die Gott ihnen gegeben hatte, weil unsere Vorurteile es

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