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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sein Plädoyer geändert?«
    »Ich nehme an, ja… in gewisser Hinsicht jedenfalls.« Es fiel ihm plötzlich schwer, die Ereignisse in Worte zu fassen.
    »Melville hat sich das Leben genommen. Isaac Wolff hat ihn gestern Abend tot aufgefunden.«
    Sie wurde bleich. »Oh, William… es tut mir so Leid!« Sie schloss die Augen. »Wie furchtbar! Warum tun wir anderen Menschen so etwas an? Wenn er einen anderen Mann liebte, was geht das uns an? Wir alle werden uns eines Tages auf die eine oder andere Weise vor Gott verantworten müssen.«
    »Er war nicht homosexuell«, sagte er. »Er hat allerdings in den Augen der meisten Menschen ein noch größeres Verbrechen begangen.«
    Sie öffnete die Augen. »Was?« Dann rannen ihr plötzlich die Tränen übers Gesicht. »Was hat er getan? Zillah Lambert den Laufpass gegeben? Er hat nie auch nur ein einziges böses Wort über sie gesagt! Das war doch gerade Olivers Problem! Was hat er also getan?«
    »Er hat die Welt getäuscht… Männer und Frauen…«, erwiderte er. »Niemand wusste es… bis auf Isaac Wolff. Alle anderen tappten vollkommen im Dunkeln… alle sind darauf hereingefallen. Das können sie nicht verzeihen. Einige der Frauen werden sich vielleicht ins Fäustchen lachen, aber von den Männern wird keiner etwas Erheiterndes daran finden.«
    »Ich weiss nicht, wovon Sie reden. Das ergibt alles keinen Sinn für mich!«
    »Killian Melville war eine Frau.«
    »Was haben Sie da gesagt?«, protestierte sie.
    »Sie haben es doch gehört. Ihr richtiger Name war Keelin, und sie war eine Frau.« Der Zorn ließ seine Stimme beben. »Sie hat sich wie ein Mann gekleidet, weil niemand ihr als Frau erlaubt hatte, Architektur zu studieren und diesen Beruf auszuüben. Sie hat alle getäuscht, bis auf Isaac Wolff, der sie liebte.«
    »Wie furchtbar!« Ihre Miene spiegelte Erstaunen und Schmerz wider.
    Zuerst verstand er nicht. Gerade von Hester hätte er eine andere Reaktion erwartet. Sie sah ihn nicht einmal an. »Es muss jeden Tag da gewesen sein«, sagte sie leise. »Es muss sie in zwei verschiedene Richtungen gezogen haben, bis es sie zerriss. Sie war eine Frau, sie liebte Isaac Wolff, aber sie konnte ihn nie heiraten. Allein indem sie mit ihm zusammen war, riskierte sie es, ihn zum Verbrecher abzustempeln!« Sie sah Monk herausfordernd an. »Können Sie sich das vorstellen? Sie muss furchtbare Angst um ihn gehabt haben. Er hat sie genug geliebt, um ihre Visionen zu teilen, ihre Hoffnungen, ihre Gedanken und Leidenschaften.« Hesters Augen glänzten. »Und die kleinen Dinge, die Freuden und Enttäuschungen.« Ihre Stimme zitterte.
    »Und sie konnte es nicht! Jedes Mal, wenn sie sich trafen, waren sie beide in Gefahr, mussten sie sich vor neugierigen Blicken schützen, vor Menschen, die missgünstig oder zudringlich waren. Kein Wunder, dass sie Zillah Lamberts Freundschaft suchte. Auf diese Weise konnte sie wenigstens etwas mit einem anderen Menschen teilen, konnte sich an hübschen Dingen erfreuen, Dingen, die zu einer Frau gehören: Parfüm, Seidenstoffe, Kleider - alles, was sie nicht mehr besitzen durfte. Stellen Sie sich nur vor, was sie riskierte, wenn sie auch nur ein einziges Mal ein Kleid getragen hätte!«
    Er wollte etwas sagen, besann sich dann jedoch anders.
    »Warum tun wir das?«, fragte sie in vehementem Ton. Sie sah ihn an, als erwarte sie eine Antwort. »Warum machen wir Regeln, die festschreiben, wie ein Mensch sein sollte… ich meine Regeln, die nicht wichtig sind? Warum sollte eine Frau nicht Architekt oder Arzt oder sonst was werden? Wovor haben wir solche Angst?« Sie machte eine ausholende Bewegung.
    »Und warum zwingen wir die Männer, so zu tun, als hätten sie keine Angst, als würden sie keine Fehler machen? Natürlich machen auch Männer Fehler. Das wissen wir alle, aber wir decken es zu oder schauen weg. Es ist so viel einfacher zuzugeben, dass man sich geirrt hat, und umzukehren und das Richtige zu tun, als eine Ausflucht nach der anderen zu machen, um etwas zu verbergen. Am Ende kann man doch niemanden täuschen, außer jenen, die getäuscht werden wollen.«
    Er unterbrach sie nicht, da er wusste, dass er sie in ihrem Redefluss nicht aufhalten konnte. Außerdem war er ihrer Meinung.
    Sie warf ihm einen düsteren Blick zu. »Sehen Sie sich nur Gabriel und Perdita an! Ihm hat man eingebläut, tapfer zu sein, niemals etwas zu erklären, niemals um Hilfe zu bitten. Man hat ihm das Bild eines Helden vermittelt, dem er gerecht werden muss, und er ist krank

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