Tödliche Täuschung
vor Schuldgefühlen, weil er dazu nicht in der Lage ist. Und ihr hat man beigebracht, hilflos und dumm zu sein, weil es das ist, was die Männer wollen, und das Einzige, was man von ihr verlangt, ist Gehorsam und ein ausgeglichenes Wesen - eine Zierde für das Haus.« Sie verzog das Gesicht.
»Und sie muss danebenstehen und seinen Schmerz mit ansehen , weil er glaubt, er müsse für sie sorgen, und dabei kann er nicht einmal für sich selbst sorge n.«
Sie holte noch einmal tief Luft. »Und dieser Idiot Athol Sheldon läuft herum und sagt ihnen, sie sollen sich einfach ganz normal benehmen und die Trauer, den Schmerz und das Grauen vergessen, als sei das alles nie geschehen. Es ist eine Verhöhnung der Wirklichkeit. Es macht mich so wütend, dass ich am liebsten Ihr fehlten die Worte. Er konnte sich nicht daran erinnern, sie jemals so außer sich gesehen zu haben. Er wollte etwas sagen, um ihr zu zeigen, dass er sie verstand und ihren Zorn und Kummer nachfühlen konnte. Aber er nahm nur ihre Hände und hielt sie ganz sanft, bis er nach einer Weile spürte, wie ihre Finger ihm antworteten. Es war kein starker Druck, kein Festklammern, sondern nur das Wissen, dass der andere da war, eine Zuneigung, für die es keine Worte gab, vielleicht auch die Erinnerung an viele andere Gelegenheiten, bei denen sie dasselbe empfunden hatten, ohne zueinander zu finden. Der Klang von Schritten auf der Treppe machte diesem Augenblick des stummen Einverständnisses ein Ende. Hester löste sich langsam von ihm und drehte sich gerade zur Tür um, als Perdita eintrat.
»Oh!«, sagte sie, als sie Monk bemerkte. »Es tut mir Leid. Hester… ich weiss nicht, was ich tun soll! Es ist einfach unmöglich. Ich schaffe es nicht!« Sie war den Tränen nahe und benahm sich, als hätte sie Monks Anwesenheit schon wieder vergessen oder sei nicht in der Lage, sich um derlei zu kümmern.
Hester war drauf und dran die Geduld zu verlieren. Ihre starre Haltung drückte dies deutlich aus.
»Nun, wenn Sie es wirklich nicht können, sollten Sie es besser aufgeben«, antwortete sie. »Ich weiss nicht genau, was das heißt. Aber Sie werden es wohl wissen, sonst hätten Sie es nicht gesagt. Lassen Sie das Personal Gabriel versorgen, und führen Sie Ihr eigenes Leben. Ich weiss nic ht, ob Sie finanziell unabhängig sind. Vielleicht würde Athol Ihnen helfen. Oder wenn Sie ihn darum bitten, würde Gabriel Sie gewiss von Ihrem Eheversprechen entbinden. Er hat es Ihnen schon einmal angeboten. Das haben Sie mir erzählt, als ich hierher kam. Nur dass Sie damals sagten, Sie würden an so etwas nicht einmal im Traum denken.«
Perdita sah aus, als hätte sie eine Ohrfeige bekommen. Ihre Augen weiteten sich, und ihr Mund stand leicht offen.
»Ich bin sicher, Sie könnten sich noch einmal verheiraten«, fuhr Hester unbarmherzig fort. Ihre Stimme wurde immer schneidender. »Sie sind sehr hübsch, und Sie haben ein sehr fügsames und angenehmes Wesen… genau das, was die meisten Männer wollen…«
»Hören Sie auf!«, schrie Perdita sie an. »Sie meinen, ich bin dumm und feige und nur das zu tun in der Lage, was man mir befiehlt! Ich komme gut zurecht, so lange alles in bester Ordnung ist. Ich kann geziert im Park spazieren gehen und lächeln und Leuten schöntun und gehorsam sein. Ich weiß, wo mein Platz ist, und kann jedem das Gefühl geben, willkommen zu sein… und überlegen! Aber sobald etwas schief geht und man eine Frau mit Mut und Intelligenz braucht, laufe ich davon! Ich denke nur an mich selbst! Daran, wie ich mich fühle… und was ich will!« Ihre Lippen bebten, aber sie sprach dennoch weiter und funkelte Hester wütend an. »Dann kommen Sie und betreten die Bühne, so tapfer und selbstlos. Sie wissen, was zu tun und was zu sagen ist! Sie haben nie Angst, sind nie verwirrt. Nichts stößt Sie ab oder weckt in Ihnen den Wunsch, einfach wegzulaufen.«
Ihre Stimme wurde immer schriller. Das Personal musste sie bis in die Küche hören. »Nun, ich will Ihnen etwas sagen, Sie perfekte Krankenpflegerin! Kein Mann will eine Frau, die sich niemals irrt! Sie können nicht jemanden lieben, der sie nicht braucht, der niemals verletzlich oder ängstlich ist oder Fehler macht! Ich mag nicht halb so klug sein wie Sie und auch nicht halb so mutig, und vielleicht weiß ich auch nichts über indische Geschichte oder Soldaten oder darüber, wie es ist, einen echten Krieg mitzuerleben… aber das wenigstens weiß ich!«
Hester stand stocksteif da. Er war sich nicht
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