Tödliche Täuschung
lange Zeit, um sein Interesse ohne eine Erklärung zu rechtfertigen. Er zw ang sich zu einem Lächeln. »Ihre eigenen Lebensumstände waren sehr schwierig. Sie besaß nicht die finanziellen Mittel, um jemanden einzustellen, der sich um die Kinder kümmerte, und sie hatte auch weder die Zeit noch die Kenntnisse, es selbst zu tun.«
»Und das hat sich jetzt geändert?«, fragte die Frau, deren Skepsis noch immer deutlich aus ihrer Stimme zu hören war.
»Nein«, bekannte Monk. »Ich wollte ihr lediglich einen Gefallen tun. Sie arbeitet als Dienstbotin in einem Haus, in dem eine Bekannte von mir einen verletzten Soldaten pflegt.«
»Oh.« Diese Antwort schien sie zufrieden zu stellen. »Vor zwanzig Jahren, sagten Sie?«
»Ja. Haben Sie damals schon in diesem Haus gewohnt?« Sobald er die Frage ausgesprochen hatte, wusste er, wie töricht sie gewesen war. Sie konnte selbst kaum älter als fünfundzwanzig sein.
Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, Sir, das nicht.
Damals war ich noch zu Hause in Irland, aber mein Pa hat hier gelebt. Er arbeitete hier und hatte ein Zimmer auf der anderen Straßenseite bei Mrs. O’Hare. Er könnte vielleicht wissen, wer damals hier gewohnt hat. Er hat uns alle schrecklich vermisst, wo er doch die Kleinen so gern hatte. Wenn Sie mit mir kommen wollen, frag’ ich ihn für Sie.«
»Vielen Dank, Mrs…«
»Mrs. Heggerty. Maureen Heggerty. Dann treten Sie mal ein , Sir.« Mit diesen Worten ging sie in den Korridor zurück und zog die Tür weit auf, damit er ihr folgen konnte. »Pa!«, rief sie und hob die Stimme. »Pa! Hier ist ein Gentleman, der dich gern sprechen möchte!«
»William Monk«, stellte er sich vor. Sie drehte sich wieder zu ihm um und wartete auf die Antwort ihres Vaters, daher schien es ihm unpassend, ihr seine Karte zu geben.
»Willkommen, Mr. Monk. Pa! Bist du wieder eingeschlafen? Es ist doch erst halb elf am Morgen!«
Ein Mann von ungefähr sechzig Jahren kam aus der Küche im hinteren Teil des Hauses gehumpelt und fuhr sich mit einer seiner massigen Hände durch den dichten silberweißen Haarschopf. Er trug eine formlose Hose und ein kragenloses Hemd, dessen Ärmel aufgekrempelt waren. Er bestritt Maureens Verdacht mit großem Nachdruck, aber für Monk war offensichtlich, dass er tatsächlich geschlafen hatte. Er sah aus wie ein Bär, den man aus dem Winterschlaf gerissen hatte. Blinzelnd schaute er an seiner Tochter vorbei zu Monk hinüber, der vor der noch immer geöffneten Haustür im Flur stand.
»Na klar doch. Und was kann ich für Sie tun, Sir?« fragte er freundlich. Dann kniff er die Augen zusammen, um Monks Gesicht besser sehen zu können.
»Guten Morgen, Sir«, sagte Monk respektvoll. »Mrs. Heggerty hat mir erzählt, Sie hätten vor zwanzig Jahren schon in dieser Straße gelebt, in dem Haus hier gleich gegenüber?«
»Zwei Türen weiter«, korrigierte er ihn. »Auf der anderen Straßenseite.« Er zog die Stirn kraus. »Warum interessiert Sie das?«
»Ich glaube, dass damals ein gewisser Samuel Jackson hier gewohnt hat«, erklärte Monk. Mrs. Heggerty stand zwischen ihnen, und das Licht fiel auf ihr blondes Haar und die Schürze, unter der sie die Hände verschränkt hatte.
»Er hatte zwei Kinder«, fuhr Monk fort. »Ich stelle Nachforschungen für Mr. Jacksons Schwester an, die heute endlich in der Lage ist, den Versuch zu unternehmen, diese Kinder wieder zu finden. Da sie, soweit sie weiss, ihre einzige lebende Verwandte ist, würde sie ihnen gern -, falls es überhaupt eine Chance gibt, sie zu finden, - ein wenig… ein wenig Zuneigung anbieten.« Er wusste, wie töricht diese Worte klingen mussten, und wünschte, es wäre ihm etwas Besseres eingefallen.
»Klar doch, verstehe doch, arme kleine Dinger«, sagte der ältere Mann mit einem Kopfschütteln. »Wenn’s auch ein bisschen spät ist.« Die Kritik war nur verhalten. Er hatte viele Tragödien in den Familien seiner Nachbarn mit angesehen, und sein faltiges Gesicht und die zusammengekniffenen Augen spiegelten seine Gefühle wider.
»Sie kannten die beiden?«, fragte Monk leise.
»Ich habe sie gesehen«, verbesserte der Mann ihn. »Kennen wäre wohl zu viel gesagt. Die beiden waren noch winzige Dinger.«
»Hätten Sie vielleicht gerne eine Tasse Tee, Mr. Monk?«, unterbrach Mrs. Heggerty das Gespräch. »Und was ist mit dir , Pa?«
»Klar doch, gern«, nickte ihr Vater. »Kommen Sie mit in die Küche«, sagte er dann zu Monk, »wir wollen nicht hier rumstehen, wo uns die
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