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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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tun hatte.
    »Meacham«, antwortete er mit dem erstbesten Namen, der ihm einfiel. »Horace Meacham.« Er musste sich den Namen einprägen, damit er ihn nicht vergaß! »Vielen Dank.«
    Sie öffnete die Tür ein wenig weiter, um ihn einzulassen. Die dünne Frau, die den Trittstein geschrubbt hatte, warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Er wünschte, er hätte ihr die Wahrheit sagen können, aber diesen Luxus konnte er sich nicht leisten.
    Der Korridor war grau gestrichen und kahl. Auf einem Stickbild mit mehreren Fehlern darin stand: »Das Auge Gottes ruht auf euch.« Er hoffte, dass es in der Tat so war. Vielleicht hielt die Ewigkeit größere Gerechtigkeit bereit, als es sie hier zu finden gab.
    Er wurde in einen ganz in Rot gehaltenen Salon geführt, den, was Ausstattung und Behaglichkeit betraf, Welten von dem Eingangsbereich trennten. Sie lud ihn ein, Platz zu nehmen, und setzte sich mit übertriebener Schicklichkeit ihm gegenüber, wobei sie mit ihren fetten, runzligen Händen die Röcke glatt strich. Dann zog sie energisch und befehlsgewohnt an der Glocke.
    »Ich werde Ihnen mehrere Mädchen holen lassen«, sagte sie gut gelaunt. »Sie können sich aussuchen, welche Sie haben wollen. Sie werden froh sein, einen Platz zu finden und von dem Geld, das Sie zahlen, können wir ein paar neue Kleine von der Straße holen und ihnen eine Chance im Leben geben… was nicht mehr ist als unsere Christenpflicht.«
    Es war ihm zutiefst verhasst, wie er jetzt vorgehen musste.
    Die Worte wollten ihm kaum über die Lippen kommen.
    »Ich hätte gern Mädchen von angenehmem Äußeren, zumindest eine soll zu gegebener Zeit Stubenmädche n werden.«
    »Natürlich wollen Sie das, Sir«, pflichtete sie ihm bei. »Und Sie sollen Ihre hübschen Mädchen auch bekommen. Wir schicken keine unansehnlichen Dinger für solche Stellungen raus. Die können als Spülmädchen arbeiten oder Töpfe schrubben und dergleichen.«
    »Ich hörte, dass Sie auch missgebildete Kinder aufnehmen« , sagte er. Er wünschte nur, er hätte die Mädchen, die sie jetzt hereinholen ließ, wirklich mitnehmen können. Gott allein wusste, was aus ihnen werden würde. Vielleicht waren zu guter Letzt die Hässlichen doch besser dran. »Oh… nun…«, antwortete sie ausweichend. Ihre stechenden blauen Augen versuchten herauszufinden, wie viel er wissen mochte. Er war ein Kunde, und nach seinen Kleidern zu urteilen, besaß er vielleicht Geld. Sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. »Ich weiß nicht, wer Ihnen das erzählt hat!«
    Er sah ihr direkt in die Augen und spitzte ein wenig verächtlich die Lippen. »Ich habe Erkundigungen eingezogen. Ich bin nicht aufs Geratewohl hergekommen.«
    »Nun, es ist nur aus Barmherzigkeit«, entschuldigte sie sich.
    »Man muss schließlich alle aufnehmen, aber behalten tu’ ich sie natürlich nicht. Wenn sie schlimm aussehen, geb’ ich sie zur Arbeit in die Fabrik, wo sie niemand sieht.«
    Er schien nicht überzeugt zu sein. »Ach, wirklich?«
    »Klar. Was sollte ich denn sonst mit ihnen machen? Ich kann mir keine nutzlosen Esser hier leisten.«
    Auf das Klingeln antwortete nun ein Kind von etwa zehn Jahren, und die Frau schickte die Kleine fort, um drei Mädchen zu holen, deren Namen sie ihr nannte.
    »Und nun, Mr. Meacham«, fuhr sie fort, »wollen wir über Geld reden. Dieses Heim wird nicht mit frischer Luft betrieben. Und wie Sie schon sagten, ich muss die Nutzlosen genauso mit durchfüttern wie die, die später mal eine Stellung finden.«
    »Ich will sie zuerst sehen«, wandte er ein. Er konnte den Gedanken, dass diese armen Kinder vor ihm auf und ab paradieren mussten, kaum ertragen. Sie würden sich wie Vieh fühlen, das zur Versteigerung angeboten wurde, und er wusste nur allzu gut, dass er keins der Mädchen mitnehmen konnte.
    »Wie lange sind Sie schon hier?«
    »Dreißig Jahre. Ich verstehe mich auf meine Arbeit, Mr. Meacham.«
    »Das habe ich gehört. Aber ich möchte ganz sicher sein, was ich für mein Geld kriege. Ich möchte keine unerfreulichen Überraschungen erleben… wenn es zu spät ist, sie zurückzubringen!«
    »Das wird nicht passieren!«, sagte sie scharf und mit schmal gewordenen Augen. »Was haben Sie denn gehört? Schwärzt da jemand meinen Namen an?«
    »Man hat mir erzählt, dass Sie in der Vergangenheit einmal einige ziemlich schlimm verunstaltete Mädchen aufgenommen haben… richtige kleine Ungeheuer.« Er hasste es, dieses Wort benutzen zu müssen.
    »Wann soll das gewesen sein?«, verlangte

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