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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und schwatzten, Frauen mit schweren Körben und Kindern, die ihnen am Rockzipfel hingen, Männer mit Schubkarren, auf denen sich Gemüse oder Stoffballen, Säcke mit Feuerholz, Kohle oder Mehl stapelten. Das Blumenmädchen stand mit einigen Veilchensträußen an der Straßenecke, während ein anderes Kind Streichhölzer feilbot. Ein einbeiniger Soldat verkaufte Schnürsenkel. Zwei kleine Jungen fegten die Pferdeäpfel von der Straßenkreuzung. Die schrillen Rufe eines Lumpensammlers drangen zu ihm herüber. Ein Brauereiwagen schwankte vorbei.
    Einige Zeitungsjungen riefen die Schlagzeilen aus. Ein Geschichtenerzähler suchte sich ein Plätzchen, scharte einige Zuhörer um sich und begann über das Doppelleben von Killian Melville als widernatürlicher Frau, die sich in Männerkleidern anschickte, die Welt zu betrügen, zu fabulieren. Das machte Monk so wütend, dass er den Mann am liebsten am Kragen gepackt und ihm ins Gesicht geschrien hätte, dass er ein bösartiges, ignorantes kleines Monster sei, das vo m Unglück anderer Menschen lebte und keine Ahnung hatte, wovon es sprach. Und wenn er in dieser Angelegenheit nicht sofort den Mund halte, so werde Monk ihn ihm eigenhändig stopfen.
    Er ging mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen an ihm vorüber. Melville war tot. War das nicht schon Tragödie genug? Es war abscheulich, wie die Menschen sich darüber das Maul zerrissen.
    Warum ging er eigentlich tatenlos weiter?
    Er blieb jäh stehen, fuhr herum und marschierte zu dem Geschichtenerzähler zurück. Er packte ihn tatsächlich und zu dessen großem Erstaunen am Kragen und sagte ihm genau das, was er hatte sagen wollen, was sein Publikum glatt verdoppelte und ihm lautes, derbes Gelächter eintrug. Dann ließ er den Mann stehen und setzte seinen Weg erleichtert fort.
    Das Cooper’s Arms war ein ganz gewöhnliches Gasthaus und zu dieser Tageszeit ziemlich voll. Der Geruch von Sägespänen, Bier und menschlichen Ausdünstungen, hing beißend in der Luft, und das Stimmengewirr umfing ihn, kaum dass er eingetreten war. Der Mann an der Theke war beschäftigt, und er musste mehrere Minuten warten, bevor er einen Becher Starkbier bekam und Schweinepastete, Eingemachtes und gekochten Rotkohl bestellen konnte.
    Er suchte sich einen Platz an einem der Tische, wobei er sich absichtlich zu anderen Leuten setzte. Er wählte eine kleine Gruppe aus, bei der es sich allem Anschein nach um einheimische Händler handelte, die ordentlich, aber leicht schäbig gekleidet waren und ihr Essen mit sichtlichem Appetit verspeisten. Sie sahen ihn argwöhnisch, aber nicht unfreundlich an. Er war ein Fremder und konnte vielleicht für ein wenig Ablenkung in ihrem eintönigen Alltag sorgen. Und Monk wollte reden.
    »Guten Tag, die Herren«, sagte er, während er sich lächelnd hinsetzte. »Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.« Er spielte auf die Tatsache an, dass sie zusammengerückt waren, um ihm Platz zu machen.
    »Sie sind wohl nicht hier aus der Gegend, wie?«, bemerkte einer von ihnen.
    »Von der anderen Seite des Flusses«, antwortete Monk.
    »Richtung Bloomsbury.«
    »Was führt Sie dann hier runter?«, fragte ein anderer, während er sich mit dem Handrücken über den Mund wischte und nach einem dicken, mit Schinken belegten Brötchen griff.
    »Wollen Sie verkaufen? Oder kaufen?«
    »Weder noch«, antwortete Monk und nahm einen Schluck von seinem Starkbier. Sein Essen war noch nicht gekommen. Als er die Speisen betrachtete, die bereits auf dem Tisch standen, stellte er fest, dass er beträchtlichen Hunger hatte. Es war ihm, als hätte er bereits einen langen Tag hinter sich.
    »Wahrscheinlich bin ich vollkommen umsonst hierher gekommen. Kannte einer von Ihnen zufällig einen gewissen Samuel Jackson, der so vor zwanzig Jahren hier gelebt hat?«
    Der dritte Mann, der bisher noch nichts gesagt hatte, schob sich die Mütze aus dem Gesicht und sah Monk neugierig an.
    »Ja, ich hab’ ihn gekannt. War ‘n anständiger Kerl. Armer Teufel. Tot. Wussten Sie das nicht?«
    »Doch, doch, was wusste ich. Ich frage mich, was aus seiner Familie geworden ist«, fuhr Monk fort.
    Der Mann brach in schallendes Gelächter aus, aber in seinen Augen blitzte so etwas wie Zorn auf. »Bisschen spät, wie? Warum wollen Sie das jetzt wissen? Wen interessiert das schon nach so langer Zeit?«
    »Seine Schwester«, erwiderte Monk wahrheitsgemäß. »Sie hätte es die ganze Zeit über schon gern gewusst, war aber nicht in der Lage, jemanden damit

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