Tödliche Täuschung
Sheldon«, erwiderte sie steif. »Ich glaube nicht, dass Mrs. Sheldon von der Welt ausgesperrt werden möchte. Man würde ihr damit die Chance nehmen, erwachsen zu werden oder anderen von Nutzen zu sein. Kein Mensch möchte für immer ein Kind bleiben…«
Er hatte dunkelrote Flecken im Gesicht, und seine Augen funkelten angriffslustig.
»Miss Latterly, Sie überschreiten Ihre Befugnisse! Sie haben gewiss viel Kampfgeist und Initiative bewiesen, als Sie auf die Krim gingen, um Soldaten zu pflegen, und ich bin überzeugt davon, dass Sie Ihre Pflicht, wie Sie sie verstehen, mit großer Hingabe erfüllt haben, aber ich fürchte, für die Pflege im Haus eines Gentleman sind Sie nicht die geeignete Person. Sie haben zu viel von den Sitten und Ansichten des Militärs übernommen. Es ist zutiefst bedauerlich, aber ich muss meine m Bruder nahe legen, Sie zu entlassen, sobald ich jemanden gefunden habe, der Sie ersetzen kann.«
Hester war totenblass. Einen Augenblick lang sah es so aus , als würde sie ohnmächtig werden.
Monk bebte vor Zorn. Jetzt würde er eingreifen, ob es ihr gefiel oder nicht.
Aber Perdita selbst kam ihm zuvor. Sie stand ebenfalls sehr blass und mit weit aufgerissenen Augen in der Tür und hielt sich mit einer Hand am Türrahmen fest.
»Nein, man wird Sie nicht entlassen, Hester«, sagte sie heiser und räusperte sich. »Athol, ich weiß es zu schätzen, dass du mein Wohlergehen im Sinn hast, aber du wirst mein Personal nicht entlassen und ihm darüber hinaus auch keine Anweisungen geben. Miss Latterly ist meine Angestellte, nicht deine, und sie wird hier bleiben, solange ich es wünsche und sie dazu bereit ist.«
»Du bist erregt, meine Liebe«, sagte Athol, nachdem ihr Einschreiten ihm für eine Sekunde die Sprache verschlagen hatte. »Wenn du dir ein wenig Zeit nimmst, um dich noch einmal zu besinnen, wirst du einsehen, dass ich Recht habe.« Er nickte mehrmals, um das, was er gesagt hatte, zu unterstreichen.
»Du hast nicht Recht!«, widersprach sie ihm. Dann trat sie in den Raum und musterte ihn. »Natürlich hat es mich aufgeregt, dass Melville tot ist, das arme Geschöpf, und gewiss hat mich die Art seines Todes verstört…« Sie korrigierte sich. »Ihres Todes! Das Ganze ist eine durch und durch tragische Geschichte. Aber ich bin einfach empört, dass du dir die Freiheit nimmst, mein Personal zu entlassen, ohne auf mich und meine Wünsche Rücksicht zu nehmen…«
»Es ist nur zu deinem eigenen Wohl, meine liebe Perdita…«
»Es schert mich nicht, zu wessen Wohl es ist!«, schrie sie ihn an. »Es kümmert mich nicht, was du denkst! Du wirst jedenfalls keine Entscheidungen für mich treffen.« Sie holte tief Luft und sprach dann mit normaler Stimme weiter. »Und außerdem befindest du dich im Irrtum! Es tut mir keineswegs wohl, nicht zu wissen, was in der Welt vorgeht. Wie soll ich jemandem, insbesondere mir selbst, von Nutzen sein, wenn das Leben an mir vorbeigeht? Würdest du mir erlauben, darüber zu entscheiden, was du wissen darfst und was nicht?«
Er brach in Gelächter aus. »Das kann man kaum miteinander vergleichen, mein liebes Kind. Ich weiß unendlich viel mehr über die Welt und ihre Sitten als du…«
»Natürlich weißt du das!«, gab sie entschieden zurück.
»Niemand hat dir befohlen, für den Rest deines Lebens im Kinderzimmer zu bleiben und Milch zu trinken!«
»Also wirklich, Perdita!«, empörte er sich und trat einige Schritte zurück. »Die Tatsache, dass du so vollkommen die Beherrschung verlierst, beweist wohl, dass ich Recht habe. Du bist überreizt und einfach nicht mehr im Stande, klar zu denken. Überdies ist das eine Angelegenheit, über die du nicht in Anwesenheit von Miss Latterly und Mr. Monk sprechen solltest…«
»Warum nicht?«, fragte sie schneidend. »Du versuchst Hester zu entlassen. Sollte das vielleicht hinter ihrem Rücken geschehen?«
»Perdita, bitte, fasse dich wieder!« Athol war ernsthaft verärgert. »Lass dir von Martha eine Tasse Tee machen. Dein Verhalten bestätigt jedenfalls, dass das alles zu viel für dich war. Wenn du nicht aufpasst, wirst du am Ende noch schwermütig, und dann kannst du weder Gabriel noch sonst jemandem helfen…«
»Ich werde keinen Anfall von Schwermut erleiden!«, zischte Perdita. »Das Allerschlimmste, was passieren kann, ist, dass ich dir genau sage, was ich von deiner Einmischung in meine Haushaltsführung halte. Und das, Athol, könnte wirklich sehr unangenehm werden. Hester bleibt hier, und damit
Weitere Kostenlose Bücher