Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
hätte zur Armee gehen können statt zur Polizei. Vielleicht hätte man ihn auch nach Indien geschickt. Er hätte an Gabriel Sheldons Stelle sein können.
    Gabriel sah ihn an und wartete darauf, dass er etwas sagte.
    »Killian Melville?«, fragte er schließlich.
    »Ja«, erwiderte Monk. »Heute morgen hat die gerichtliche Untersuchung stattgefunden.«
    »Wie ist das Urteil ausgefallen?«, fragte Gabriel, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
    »Selbstmord«, antwortete Monk. »Sie haben auf Selbstmord plädiert, obwohl sie nicht eruieren konnten, was zu guter Letzt der Anlass dafür war oder wie und wann sie das Gift genommen hat.«
    Perdita stieß einen leisen Seufzer aus.
    »Das tut mir Leid«, sagte Gabriel ruhig. »Sie muss zu dem Schluss gekommen sein, dass sie es nicht würde ertragen können.« Er sah für einen Augenblick so aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, überlegte es sich dann aber anders.
    »Verstehen Sie es?«, fragte Monk und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Es war genau das, was er nicht hatte sagen wollen. Er spürte den Blick Hesters direkt hinter ihm.
    Gabriel lächelte. »Nein. Aber wenn ich eines gelernt habe, dann, dass wir nicht verstehen, was letzten Endes den Zusammenbruch herbeiführt oder was wir gerade noch ertragen können.« Er sprach sehr leise und mit einem geistesabwesenden Blick. »Es gibt Menschen, die ertragen die schlimmsten Dinge, ohne sich zu beklagen. Ich habe Männer gekannt, die ich für ausgesprochen gewöhnlich hielt, die in keiner Hinsicht besonders waren, ja sogar ein wenig einfältig, und doch haben sie sich mit den schrecklichs ten Verletzungen abgefunden, ohne sich darüber zu beklagen. Oder sie sind mit den schlimmsten Verletzungen meilenweit gelaufen und haben darüber noch dumme Witze gemacht.« Jetzt setzte sich Perdita zu Gabriel aufs Bett und legte eine Hand auf seine.
    Gabriel erwiderte den Druck ihrer Finger und fuhr dann fort:
    »Ich habe Männer erlebt, die ich für gefühllos und unsensibel hielt und die dann bei einem Sterbenden, den sie kaum kannten, die ganze Nacht saßen und Wache hielten, damit er nicht allein war. Und wenn sie dann so müde waren, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnten, sind sie aufgestanden und haben ein Loch gegraben, das tief genug war, um ihn darin zu begraben. Ich habe ungebildete Männer Gebete sprechen hören, die Ihnen das Herz zerreißen würden - und im nächsten Augenblick haben sie Flüche benutzt, die Ihnen die Schamröte ins Gesicht treiben würde.« Er lachte abgehackt. »Und ich haben Männer gesehen, von denen ich dachte, sie hätten allen Mut der Welt; sie legten sich nieder und starben an einer Wunde, die ein anderer kaum wahrgenommen hätte. Ich weiß nicht, warum Melville Selbstmord beging. Wissen Sie es?«
    »Nein. Nein, ich weiß es auch nicht. Es…« Monk seufzte und setzte sich auf den Stuhl am Fußende. »Es hinterlässt das Gefühl, dass etwas unerledigt geblieben ist, als gäbe es da noch irgendetwas, das ich wissen müsste, aber es will mir einfach nicht einfallen, was es sein könnte.«
    »Quälen Sie sich nicht«, sagte Gabriel freundlich. »Sie werden es vielleicht nie erfahren. Es gibt viele Dinge, die wir nicht begreifen.«
    Perdita drehte sich zu Monk um. »Danke, dass Sie hergekommen sind«, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns.
    »Es ist mir bei weitem lieber, es von Ihnen zu erfahren als von Athol. Was ist mit Mr. Wolff?«, fragte sie leise. »Man kann ihm doch nichts vorwerfen, oder?«
    Gabriel beobachtete Monk ebenfalls, und in seinen Augen lag Besorgnis. Seltsam, wie schön und klar diese Augen über seinem entstellten Gesicht wirkten.
    Perdita wartete auf seine Antwort.
    »Nein…«, sagte er abrupt. »Nein, es ist kein Verbrechen , jemandem zu erlauben, dass er sich als Mann verkleidet, außer der Betreffende hätte einen Betrug im Sinn gehabt.«
    »Aber so war es nicht!«, sagte Perdita hastig. »Sie hat Mr. Lambert ihre Entwürfe verkauft, und dabei sollte es keine Rolle spielen, ob sie ein Mann war oder eine Frau!«
    »Mr. Lambert wird die Angelegenheit nicht weiterverfolgen«, erwiderte Monk mit einem Lächeln. »Es sei denn, er findet heraus, dass ein anderer die Schuld an ihrem Tod trägt - dann wird er nicht lockerlassen.«
    Gabriel war überrascht. »Kann er denn etwas tun?«
    Monk zuckte die Achseln. »Ich bezweifle es. Eine Weile dachte ich, es könnte vielleicht doch Mord gewesen sein, aber das ergibt keinen Sinn, weder was das Motiv noch was

Weitere Kostenlose Bücher