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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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und ausgesprochen geschmacklos.«
    Sacheverall lief rot an, ebenso sehr aus Zorn wie aus Scham. Seine Haltung ließ nicht den Funken von Einsicht erkennen, als er nun das Kinn hochreckte, statt es zu senken. »Falls Sie nichts mehr zu sagen haben, was zur Sache gehört, Mr. Sacheverall«, fuhr der Coroner fort, »werden Sie bitte an Ihren Platz zurückkehren und auf weitere Unterbrechungen unserer Untersuchung verzichten.« Er hob die Augenbrauen. »Haben Sie irgendwelche Informationen darüber, wann Killian Melville das tödliche Gift einnahm, woher sie es bekommen hatte oder wann?«
    »Neinich…«
    »Haben Sie irgendetwas beobachtet, das Sie der Polizei nicht mitgeteilt haben?«
    »Nein - ich…«
    »Haben Sie überhaupt irgendetwas Nützliches der Sache hinzuzufügen?«
    »Ich…«
    »Dann kehren Sie bitte an Ihren Platz zurück, und unterbrechen Sie uns nicht noch einmal!«
    Sacheve rall trat mit kaum verhohlener Wut den Rückzug an. Er mochte sich unter seinesgleichen oder bei seinen Freunden in der Gesellschaft einer gewissen Anerkennung erfreuen, hier im Gerichtssaal war nichts davon zu spüren. Was immer die Anwesenden zu ihren Lebzeiten von Killian Melville gehalten hatten, jetzt verspürten sie nichts als Mitleid.
    Der Coroner rief Isaac Wolff in den Zeugenstand. Wolff befand sich ganz offensichtlich in einem Zustand tiefer Trauer.
    Sein Gesicht war bleich, unter seinen Augen lagen Schatten, und er sprach sehr leise und monoton.
    Der Coroner behandelte ihn sehr höflich und fragte ihn nur nach Fakten, die notwendig waren, um bereits Bekanntes zu bekräftigen oder zu erhellen.
    Wolff antwortete so knapp wie möglich, und er hielt sich am Geländer fest, als benötige er es, um sein Gleichgewicht zu halten. Die Anwesenden waren größtenteils einfache Menschen, und sie waren sich Wolffs Kummer bewusst. Es war kein Laut im Raum zu hören, während er sprach. Niemand rutschte auf seinem Stuhl herum oder wandte sich ab. Niemand tuschelte mit seinen Nachbarn.
    Rathbone beobachtete Barton Lambert. Auch er war gebeugt vom Gewicht seiner Trauer. Er blickte weder nach links noch nach rechts, als wolle er sich selbst gegen die Menschen, die ihm am nächsten standen, abschirmen.
    Delphine hingegen saß aufrecht und mit wachen Augen da; sie verfolgte das Geschehen mit großer Aufmerksamkeit. Es ließ sich nicht feststellen, ob sie sich in ihrer Haut wohl fühlte, aber sie ertrug die vorübergehende Peinlichkeit mit stoischer Ruhe, wohl wissend, dass sie in der eigentlichen Schlacht den Sieg davongetragen hatte. Dies war lediglich ein Teil des Preises. Und es lagen noch andere Kämpfe vor ihr. Als ihr Blick sich in Sacheveralls Richtung verirrte, war er von Gehässigkeit erfüllt. Rathbone wäre nicht im Mindesten überrascht gewesen, wenn im Lauf der nächsten Wochen Gerüchte kursierten, die nicht ganz zu Sacheveralls Gunsten ausfielen. Es würde nichts Spezielles gesagt werden, sondern nur hier und da Blicke geben oder einen veränderten Tonfall in der Stimme. Und ihm würde es keineswegs Leid tun. Er betrachtete das Ganze inzwischen mit einer gewissen Befriedigung.
    Nachdem Wolff fertig war, rief der Coroner Monk auf, aber wiederum nur, um sich zu vergewissern, dass er nichts hinzuzufügen hatte. Monk bekräftigte, was er bereits gehört hatte, und verließ den Zeugenstand wieder.
    Der Coroner unterbrach die Sitzung nicht, um zu einem Urteil zu gelangen. Das war nicht nötig.
    »Ich habe mir alles angehört, was heute berichtet wurde.« Er runzelte die Stirn. »Es ist ein Fall, der mich tief erschüttert, denn er hat ein junges und viel versprechendes Leben gekostet. Hätte Miss Melville weitergelebt, so hätten wir in Zukunft zweifellos noch mehr von ihrer Begabung profitiert. Was den genauen Ab lauf der Ereignisse betrifft, bin ich nicht vollends zufrieden gestellt. So weiß ich zum Beispiel nicht genau, welches spezielle Ereignis Entmutigung in Verzweiflung umschlagen ließ, aber die Tatsachen lassen keine andere Schlussfolgerung zu als die, dass Killian Melville mit Hilfe von Belladonna Selbstmord beging, und zwar noch während des Prozesses in diesem Gerichtsgebäude.« Er holte tief Luft. »Man kann nur mutmaßen, dass die Zerstörung ihres Lebens und ihrer Karriere sowie des Lebens des Mannes, den sie liebte, ihr größeren Schmerz bereitete, als sie zu ertragen in der Lage war. Wir alle müssen mit der Verantwortung in unserer jeweiligen Rolle bei alldem fertig werden.« Er griff nach dem Hammer und klopfte

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