Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
entsprach. Es ist sogar vorstellbar, dass Miss Lambert das wusste, sich aber außer Stande fühlte, sich aus einer Situation zu befreien, die äußerst peinlich geworden war.«
    Richter McKeever lächelte. »Alle möglichen Dinge sind vorstellbar, Sir Oliver. Wir wollen uns auf das beschränken, was sich beweisen lässt. Wie auch immer, Mr. Sacheverall, ich stimme mit Sir Oliver darin überein, dass niemand die Tatsache bestreitet, dass sich zwischen Mr. Melville und Mr. Lamberts Familie, insbesondere seiner Tochter, eine herzliche Freundschaft entwickelt hat. Solche Freundschaften münden nicht immer in eine Ehe. Bitte, fahren Sie fort.«
    Sacheverall verneigte sich, legte aber, als er sich wieder Lambert zuwandte, vielleicht eine Spur weniger Zuversicht an den Tag, wenn man Rückschlüsse aus seiner Haltung ziehen durfte.
    »Hat Mr. Melville Ihre Tochter im Verlauf Ihrer Freundschaft gelegentlich zu gewissen gesellschaftlichen Anlässen begleitet, hat er ihr Gesellschaft geleistet? Ist er vielleicht mit ihr spazieren gegangen, hat er ihr von seinen Leistungen erzählt, von seinen Abenteuern, seinen Zukunftsplänen? Haben die beiden Gedanken über Kunst, Literatur und Musik ausgetauscht? Hat er ihr Gedichte vorgelesen, ihr die Entwürfe seiner Arbeit gezeigt, mit ihr über Scherze und amüsante kleine Episoden gelacht? Hat er ihr, ganz allgemein gesprochen, den Hof gemacht, Mr. Lambert?«
    Rathbone warf einen Seitenblick auf Melville, aber dieser starrte weiter nur geradeaus.
    »Das alles hat er getan, Sir, wie Sie sehr wohl wissen«, antwortete Lambert grimmig. Sacheveralls Worte mussten Erinnerungen in ihm geweckt haben, denn plötzlich war sein Widerstreben wie ausgelöscht, und er war offensichtlich sowohl verletzt als auch wü tend. Jetzt mied er Melvilles Blick nicht länger, sondern sah ihn direkt und herausfordernd an, und seine ganze Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Rathbone sackte innerlich in sich zusammen. Gegen diese Art von Aufrichtigkeit gab es keine Verteidigung. Wäre er ein Geschworener gewesen, hätte er nur einen einzigen Weg gesehen. Killian war schuldig, und es war fast unmöglich, sich eine gute Meinung von dem Mann zu bilden. Niemand konnte ein Mädchen umwerben, wie Lambert es beschrieben hatte, und dann erwarten, dass es sein Verhalten nicht als Liebeserklärung ansehen würde. Nicht einmal eine Närrin könnte das missverstehen.
    Wieder sah er Melville von der Seite an. Er hatte seinen blonden Kopf gesenkt, und seine Wangen waren deutlich gerötet. In seine n Augen stand Verzweiflung, als säße er in der Falle.
    Rathbone war sich nicht sicher, ob er ihm Leid tat oder ob er einen solchen Zorn verspürte, dass er ihm für diese Verantwortungslosigkeit am liebsten eine Ohrfeige versetzt hätte.
    »Es hat Sie also nicht im Mindesten überrascht, als eine Verlobung folgte, quasi als natürliche Fortsetzung der Ereignisse?«, schlussfolgerte Sacheverall.
    »Natürlich nicht!«, antwortete Lambert. »Niemand war überrascht! Es war so natürlich, wie die Nacht dem Tag folgt.«
    »Ganz recht.« Sacheverall lächelte traurig. Er schürzte die Lippen und sah mit einem Stirnrunzeln zu Lambert auf. »Es wurden Vorkehrungen für die Hochzeit getroffen?«
    »Ja. Eine Ankündigung in der Times. Die ganze Gesellschaft wusste Bescheid.« Er sprach das Wort ›Gesellschaft ‹ mit einer Schärfe aus, die seinen Schmerz verriet und vielleicht auch ein gewisses Maß an Abneigung, als wisse er nur allzu gut um das Getuschel und die Scherze auf Kosten seiner Familie.
    »Natürlich«, murmelte Sacheverall. »Und was geschah dann , Mr. Lambert?«
    Lambert drückte die Schultern durch. »Melville löste die Verlobung«, sagte er leise. »Ohne Grund. Ohne Vorwarnung.
    Hat einfach die Verlobung gelöst.«
    »Es war Killian Melville, nicht Ihre Tochter?«, betonte Sacheverall, dessen Verärgerung deutlich aus seiner Stimme herauszuhören war.
    Rathbone sah Melville an, und dieser beugte sich vor, hob eine Hand an die Lippen und biss sich auf die Nägel.
    »So ist es.« Lamberts Gesicht verriet seine Anspannung. Er wurde öffentlich gedemütigt. Er vermied es, irgendjemanden anzusehen. Wieder ging Rathbone durch den Kopf, wie viel besser es doch für alle gewesen wäre, wenn Zillah Lambert sich bereit erklärt hätte, das Verlöbnis zu lösen, ganz gleich, ob sie das nun wollte oder nicht. Anscheinend hatte sie einfach nicht geglaubt, Melville könnte es ernst gemeint haben mit dem, was er

Weitere Kostenlose Bücher