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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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»Will mein gelehrter Freund etwa andeuten , dass Mr. Melville die Verlobung gelöst hat, weil er in diesen Dingen nicht um seine Meinung gefragt wurde? Und dass ein derart absurdes Benehmen gerechtfertigt sei? Wenn dem so wäre, Mylord, würde kein Mann jemals heiraten!« Er wandte sich mit einem Lachen den Geschworenen zu.
    Rathbone verlor nur aufgrund seiner langjährigen Erfahrung nicht die Fassung.
    »Nein, Mylord, ich möchte nichts dergleichen andeuten, und das hätte mein gelehrter Freund erfahren, wenn er nur noch ein oder zwei Sekunden gewartet hätte. Was ich andeuten will, ist, dass diese Vorbereitungen, so vortrefflich sie zweifellos waren, ohne Mr. Melvilles Wissen getroffen wurden. Er hat nicht um Miss Lamberts Hand angehalten, und er hatte auch nicht die Absicht dazu. Man setzte es allenthalben als selbstverständlich voraus, und die Familie handelte aus gutem Glauben und ohne seine Mitwirkung. Er hat diese Vereinbarung nicht gebrochen , weil er sie nie getroffen hat. Es war eine bloße Mutmaßung - vielleicht mit gutem Grund, aber nichtsdestoweniger eine Mutmaßung.«
    »Sir Olivers Argumentation ist überaus unbeholfen!«, protestierte Sacheverall. Er starrte Rathbone an. »Sind Sie fertig? Etwas Besseres haben Sie uns nicht zu bieten?«
    Das hatte Rathbone in der Tat nicht, aber es war auch nicht der Zeitpunkt, dies zuzugeben.
    »O doch«, log er entschieden. »Ich erkläre lediglich, was ich mit meiner Frage beabsichtigt habe, da Sie sie falsch ausgelegt haben.«
    »Wollen Sie damit sagen, Mrs. Lambert habe eine Hochzeit ausgerichtet ohne jede Gewissheit, dass es auch einen Bräutigam gab?«, fragte Sacheverall höhnisch.
    »Ich möchte damit sagen, dass es sich um ein Missverständnis handelte, nicht um ein Schurkenstück«, antwortete Rathbone, der sich sehr wohl darüber im Klaren war, wie lahm sein Argument klang, so sehr es vermutlich auch der Wahrheit entsprach. Trotzdem war er nach wie vor davon überzeugt, dass Melville ihnen etwas so Wichtiges vorenthielt, dass es einer Lüge gleichkam. Der Mann hatte etwas schwer Fassbares an sich, etwas, von dem er nicht einmal eine Ahnung hatte, was es hätte sein können. Er hatte diesen Fall einem Impuls folgend übernommen, und er bedauerte es.
    Sacheverall tat die Äußerung mit einem Achselzucken ab und kehrte zu seinem Platz zurück.
    »Sir Oliver?«, fragte der Richter.
    Es gab nichts weiter zu sagen. Er konnte die Sache nur noch schlimmer machen.
    »Nein, vielen Dank, Mylord. Und auch Ihnen vielen Dank , Mrs. Lambert.«
    Sacheverall hatte nichts hinzuzufügen. Er war klug genug, das Thema nicht weiter zu verfolgen. Er gewann diesen Prozess , ohne selbst Anstrengungen unternehmen zu müssen.
    Es war schon ziemlich spät, Zeit, das Mittagessen einzunehmen. Das Gericht vertagte sich.
    Rathbone verließ mit Melville den Saal. Die Menge starrte auf sie. Einige hässliche Bemerkungen fielen, laut genug, um sie zu hören. Melville, dessen Wangen noch immer gerötet waren, hielt den Kopf gesenkt und den Blick unverwandt geradeaus gerichtet. Er konnte die Schmähungen genauso wenig überhört haben wie Rathbone.
    »Ich wusste nichts von der Hochzeit, bis alles geplant war!«, sagte er verzweifelt. »Natürlich ist mir so dies und das zu Ohren gekommen. Aber ich habe nicht einmal begriffen, dass es dabei um mich ging!« Sie kamen durch die Eingangshalle des Gerichtsgebäudes. Rathbone hielt die Türen auf.
    »Ich weiß, das klingt läc herlich«, fuhr Melville fort, »aber ich habe einfach nicht zugehört. Meine Gedanken waren bei meiner Arbeit: bei Bogen und Türstürzen. Die Frauen reden oft über Mode und darüber, wer wen heiraten wird. Meist ist es nur Geschwätz und müßige Spekulation.«
    »Wie kann man nur so dumm sein?«, fuhr Rathbone ihn an, der langsam die Geduld verlor.
    »Wahrscheinlich, weil ich es so wollte«, antwortete Melville mit erstaunlicher Aufrichtigkeit. »Ich wollte einfach nicht, dass es wahr sei, also habe ich es ignoriert. Wenn Ihnen eine Sache wichtig genug ist, können Sie alles andere ausblenden.« Jetzt standen sie draußen in dem scharfen Wind und dem Sonnenlicht. Seine Augen waren von demselben bläulichen Grün wie das Meer. »Mir liegen Gebäude und Bogengänge am Herzen, Säule n und Stein, die Art, wie das Licht einfällt, Farben und Kraft und Schlichtheit. Mir ist es wichtig, Dinge zu entwerfen, die mich überdauern werden, Dinge, die noch Generationen nach uns Freude bereiten.«
    Er vergrub mit einer heftigen

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