Tödliche Täuschung
Unrecht zugefügt wurde. Ihr Ruf wird voll und ganz wiederhergestellt werden. Es wäre unverzeihlich zuzulassen, dass ihre ganze Zukunft ruiniert wird, weil ein einziger junger Mann bestenfalls verantwortungslos, schlimmstenfalls unehrlich oder unmoralisch gehandelt hat. Wenn Sie jetzt so freundlich wären, an Ihrem Platz zu bleiben, falls Sir Oliver noch Fragen an Sie hat? Vielen Dank, Mrs. Lambert.« Er drehte sich mit einer einladenden Geste zu Rathbone um.
Der zuversichtliche Ausdruck auf seinem Gesicht war Warnung genug. Rathbone wusste, dass Fragen an Delphine Lambert seiner Sache nicht dienlich sein würden. Sie hatte ihr Anliegen praktisch im Alleingang vorgetragen. Und sie hatte es ohne jede Übertreibung getan. Auf diese Weise ein Verlöbnis zu lösen, nachdem jedermann glaubte, es sei eine Liebesaffäre vorangegangen, das musste einfach dem geneigtesten Betrachter den Eindruck vermitteln, dass mit Zillah Lambert etwas nicht stimmte, dass Melville aber zu sehr Gentleman war, um es zu enthüllen.
Er erhob sich, denn er wagte es nicht, sie aus dem Zeugenstand zu entlassen, ohne mit ihr gesprochen zu haben. Das wäre ein offenes Eingeständnis seiner Niederlage gewesen.
Ein leises Raunen ging durch den Raum. Die Geschworenen beobachteten ihn genau.
»Wir könnten Ihre Besorgnis nachvollziehen, Mrs. Lambert«, sagte er höflich, während er in Gedanken verzweifelt nach etwas suchte, um ihre Aussage abzuschwächen. »Vielleicht könnten Sie mir etwas über diese Hochzeitsvorbereitungen berichten , von denen Sie sprachen…«
»Alle abgeschlossen!« Ihre Stimme wurde lauter. »Natürlich waren die offiziellen Einladungen noch nicht versandt, aber jeder wusste, wer eingeladen war, sodass es im Grunde auf dasselbe hinauslief! Ich habe mich noch nie in meinem Leben so gedemütigt gefühlt. Sie können sich nicht vorstellen, wie schrecklich es war, es den Leuten sagen zu müssen!« Sie streckte den Arm aus, und ihre Hände wirkten selbst bei dieser erregten Geste noch anmutig. »Wie erkläre ich es? Was kann man überhaupt sagen? Die arme Zillah.« Sie wendete sich dem Richter zu. »Haben Sie denn überhaupt den Hauch einer Ahnung, wie sie sich fühlt? Immer wenn jemand lacht und wir nicht den Grund dafür wissen, glauben wir, die Leute machen sich über unser Missgeschick lustig.«
Rathbone zwang sich, freundlich zu bleiben. »Ich bin überzeugt, dass das nur natürlich ist. Wir haben alle solche Ängste erlebt, wenn wir mit etwas…« Welches Wort konnte er benutzen, ohne zu kritisch zu wirken? Er hatte da einen Satz angefangen, den er unmöglich beenden konnte. Sie drehte sich wieder zu ihm um. »… wenn wir mit einer Peinlichkeit rechnen müssen«, sagte er schließlich. »Aber um noch einmal auf diese Vorbereitungen zurückzukommen, Mrs. Lambert…«
»Die Schneiderin, die Brautjungfern, die Kirche natürlich, die Blumen, die zu dieser Jahreszeit wachsen«, zählte sie die einzelnen Dinge auf. »Ich habe ungezählte Stunden damit verbracht, alles auf das Beste zu organisieren. Es ist der wichtigste, der allerschönste Tag im Leben einer Frau, und ich wollte sicherstellen, dass bei ihrer Hochzeit nichts, aber auch gar nichts falsch lief. Wir haben weder Zeit noch Mühe, noch Kosten gescheut. Nicht dass es ums Geld ginge. Sie dürfen nicht einen Augenblick glauben, dass es das war!« Sie wies den Gedanken mit einer knappen Handbewegung weit von sich.
Seltsamerweise glaubte er ihr. Es waren die Ehre, der Ruf ihrer Tochter, die ihr am Herzen lagen. Was ein einmaliges Ereignis hätte sein sollen, war nun Anlass höchster Peinlichkeit geworden, und die goldene Zukunft war unwiederbringlich dahin. »Ich bin überzeugt davon, dass es so ist, Mrs. Lambert«, pflichtete er ihr beschwichtigend bei. »Ich bezweifle es nicht. Aber meine Frage ist: Welchen Anteil hatte Mr. Melville an all diesen Plänen und Entscheidungen?«
Sie sah ihn verständnislos an. »Mr. Melville? Es sind die Brauteltern, die diese Vorbereitungen treffen, Sir Oliver. Er hatte nichts damit zu tun.«
»Genau darauf wollte ich hinaus.« Er achtete darauf, keinerlei Triumphgefühl zu zeigen. Es würde die Geschworenen verstimmen. Er stand mitten im Raum und war sich darüber im Klaren, dass alle Blicke auf ihm ruhten. »Er hat sich nicht zum Stil des Hochzeitskleides geäußert, zur Anzahl oder Art der Blumen oder gar zur Kirche…«
Jetzt war sie vollkommen verwirrt.
»Mylord.« Sacheverall erhob sich mit ungläubigem Gesichtsausdruck.
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