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Tödliche Täuschung

Tödliche Täuschung

Titel: Tödliche Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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eine sexuelle Beziehung zu einem anderen Mann gehabt, noch könnte ich mir etwas Derartiges vorstellen.« Diesmal war die Unruhe im Saal noch größer. Jemand rief eine Anschuldigung in den Raum, ein anderer ein Schimpfwort.
    McKeever schlug wütend mit dem Hammer auf sein Pult und verlangte Ruhe.
    »Ich erwarte nicht, dass Sie es zugeben, Mr. Wolff.« Sacheverall schien nicht im Mindesten aus dem Gleichgewicht gebracht zu sein. Er zuckte kaum merklich die Achseln, entfernte sich einige Schritte vom Zeugenstand, fuhr dann auf dem Absatz herum und hob plötzlich anklagend die Stimme.
    »Aber ich werde Zeugen aufrufen, Mr. Wolff! Ist es das, was Sie wollen, Sir? Ich werde es zweifellos tun, wenn Sie mich dazu zwingen! Gestehen Sie Ihre Beziehung zu Killian Melville, und raten Sie ihm als Ihrem Freund und Geliebten, in dieser Sache nachzugeben.« Er sprach das Wort ›Geliebter‹ mit unendlichem Abscheu und verächtlich geschürzten Lippen aus.
    »Hören Sie auf, zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist!
    Versuchen Sie nicht, Ihre Kräfte mit mir zu messen, Sir, denn ich warne Sie, Sie werden den Kürzeren ziehen!«
    Melville saß wie erstarrt da. Sein Gesicht war aschfahl, sodass die Sommersprossen wie dunkle Farbkleckse hervorstachen. Er ließ Wolff nicht aus den Augen, und sein Schmerz war so überwältigend, dass Rathbone ihn beinahe selbst fühlen konnte. Einige Sekunden lang kam ihm gar nicht zu Bewusstsein, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte, bis seine Fingernägel kleine Halbmonde in sein Fleisch gebohrt hatten.
    Im Gerichtssaal herrschte gespanntes Schweigen.
    Isaac Wolff stand ebenfalls vollkommen reglos da. Der Blick , mit dem er Sacheverall bedachte, war vernichtend. Ein weniger selbstbewusster Mann wäre ins Wanken geraten und hätte zumindest einen Hauc h von Selbstzweifel gezeigt, statt zu lächeln.
    »Wenn Sie die Absicht haben, meinen Namen oder den eines anderen in den Schmutz zu ziehen, indem Sie Menschen in diesen Zeugenstand berufen, die dort sagen, was auch immer Sie wünschen, dann müssen Sie das tun«, erklärte Wolff bedachtsam. Er sprach sehr langsam, als mache es ihm Mühe, die Worte über die Lippen zu bringen und seiner Stimme einen ruhigen Klang zu geben. »Das ist eine Sache, die Sie selbst entscheiden müssen, nicht ich. Ich werde nichts zugeben, was nicht der Wahrheit entspricht. Ich habe bereits geschworen, dass ich niemals sexuelle Beziehungen zu anderen Männern hatte, nur zu Frauen.« Ein erregtes Summen ging durch die Menge, die bei derart offenen Worten sichtlich verlegen wurde.
    »Ich kann und werde an dieser Erklärung nichts ändern, welche Drohungen Sie auch gegen mich aussprechen mögen« , fuhr Wolff fort. »Und wenn Sie jemanden dazu bringen, einen falschen Schwur oder einen Meineid zu leisten, dann tragen Sie die Verantwortung dafür, und Sie machen sich größter Unaufrichtigkeit schuldig, Sir, wenn Sie irgendjemanden glauben machen wollen, ich hätte das zu verantworten.«
    Sacheverall schob seine großen Hände in die Taschen seines Mantels.
    »Sie zwingen mich dazu, Sir! Ich habe nicht den Wunsch, Ihne n das anzutun! Um Himmels willen, ersparen Sie sich die Schande! Wenn Sie schon nicht an sich selbst denken, so denken Sie wenigstens an Mr. Melville.«
    »Indem ich ein Verbrechen gestehe, dessen sich keiner von uns beiden schuldig gemacht hat?«, entgegnete Wolff verbittert.
    Rathbone erhob sich. »Mylord, dürfte ich um eine Vertagung des Gerichts bitten, damit ich mit meinem Mandanten und Mr. Sacheverall sprechen kann? Vielleicht können wir zu einer Verständigung kommen, die gewiss besser wäre als die augenblickliche Anschuldigung, die im Übrigen nichts beweist.«
    »Ich denke, das wäre ratsam«, stimmte McKeever ihm zu.
    Während er erneut zu seinem Hammer griff, hörte man von der Galerie ein enttäuschtes Raunen, und mehrere Geschworene murmelten etwas, obwohl sich unmöglich sagen ließ, ob dieses Geräusch Zustimmung oder Missbilligung bedeutete.
    »Mr. Sacheverall?« Er wartete die Antwort nicht erst ab , sondern setzte sie als selbstverständlich voraus. »Gut. Das Gericht vertagt sich auf heute Nachmittag, zwei Uhr.«
    Rathbone beugte sich zu Melville, der nach wie vor reglos dasaß, und umfasste seinen Arm.
    »Was kann er beweisen?«, flüsterte er ungehalten. »Was bedeutet Wolff Ihnen?«
    Melvilles Anspannung wich nur langsam von ihm, als erwache er aus einer Trance.
    Ein Lächeln, in dem ein Anflug von Hysterie lag, huschte über sein

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