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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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zuviel
geworden.
    „Dort war es viel ruhiger. Hier wird man ganz schön
geschunden, aber das wissen Sie ja aus eigener Erfahrung.“
    Ich verzog das Gesicht. „Ich war nur fünf Jahre
hier. Ich bin zu ungeduldig, zu egoistisch - ich möchte Ergebnisse meiner
harten Arbeit sehen. Als Pflichtverteidigerin hatte ich nach jedem Prozeß das
Gefühl, daß die Lage genauso war wie davor - manchmal sogar schlimmer.“
    „Sie haben sich selbständig gemacht? Und dabei
wurde Ihnen das Gesicht zerschnitten? Na ja, das ist auch ein Ergebnis. Ich
hab ziemlich rabiate Mandanten verteidigt, aber sie sind nie mit dem Messer auf
mich losgegangen.“
    Ein Angestellter brachte die Anklageschriften, und
mir blieb eine Antwort erspart. Manuel überflog sie aufgrund langjähriger
Erfahrung sehr schnell, trennte die einfachen Fälle - Ruhestörung,
ordnungswidriges Verhalten, Landstreicherei - von den schwierigen. Er bat einen
Wachtmeister, alle Fälle von Ruhestörung und ordnungswidrigem Verhalten
gemeinsam hereinzubringen.
    Neun Männer kamen herein, einschließlich Mr.
Contreras und seinem Freund Jake Sokolowski. Sie waren bei weitem die Ältesten
der Gruppe. Der Rest waren junge Mittelschichtmänner in verschiedenen Stadien
der Auflösung, die sowohl ängstlich als auch streitlustig dreinblickten. Mitch
Kruger, der dritte im Bunde, war entkommen, ohne verhaftet zu werden, wie mir
Mr. Contreras später erzählte. Mit dem Verband um den Kopf und dem zerrissenen
Blaumann sah der alte Mann aus wie ein Penner aus dem miesesten Slum der Stadt,
aber die Schlägerei schien seinen unerschöpflichen Vorrat an Energie nur noch
vergrößert zu haben; er lächelte mich unbekümmert an.
    „Sind Sie gekommen, um mich zu retten, Schätzchen?
Wußte, daß ich mich auf Sie verlassen kann. Deswegen hab ich Ruthie auch erst
gar nicht angerufen. Wenn Sie meinen, ich bin übel zugerichtet, dann sollten
Sie sich erstmal meinen Gegner ansehn.“
    „Hört mal“, fuhr Manuel dazwischen. „Das dümmste,
was ihr machen könnt, ist, euch eurer Taten zu rühmen. Haltet die nächsten paar
Stunden den Mund, und mit ein bißchen Glück werdet ihr heute nacht alle im
eigenen Bett schlafen.“
    „Klar, Chef, was immer Sie wollen“, stimmte Mr.
Contreras fröhlich zu. Er stieß Sokolowski den Ellenbogen in den dicken Bauch,
und die beiden gestikulierten und grinsten wie Halbstarke, die hinter einem
jungen Mädchen her sind.
    Sechs der restlichen sieben Angeklagten waren
ebenfalls vor der Praxis verhaftet worden, als sie sich für den Schutz des ungeborenen
Lebens prügelten. Der siebte war am frühen Abend singend in einem der
Direktorenbüros einer angesehenen Firma aufgegriffen worden. Keiner wußte, wie
er an den Wachmännern vorbei in das Gebäude eingedrungen war, und als Manuel
ihn danach fragte, lächelte er glücklich und behauptete, er sei geflogen.
    Manuel hörte sich Sokolowski und Mr. Contreras
zusammen an. Er entschied, daß sie auf Notwehr plädieren sollten, daß sie
aussagen sollten, sie hätten versucht, Lotty zu helfen, den Praxisbetrieb
aufrechtzuerhalten, und dabei seien sie angegriffen worden. Als Mr. Contreras
empört dagegen protestierte, daß ihm eine so passive Rolle zugeschrieben
wurde, wiederholte ich Manuels Bitte, er solle den Mund halten.
    „Sie haben heute nachmittag lang genug den Helden
gespielt“, sagte ich zu ihm. „Sie erweisen niemanden einen Dienst, wenn Sie
vor dem Richter mit Ihren Taten angeben und dann dreißig Tage oder eine hohe
Geldstrafe aufgebrummt kriegen. Es tut Ihrer Männlichkeit keinen Abbruch, wenn
der Richter nicht jede Einzelheit Ihrer Heldentaten erfährt.“
    Widerwillig erklärte er sich schließlich
einverstanden, aber mit einem so störrischen Ausdruck, daß ich Mitleid mit
seiner längst verstorbenen Frau bekam. Sokolowski, wiewohl nicht ganz so fit
wie sein Freund, war ebenso hartnäckig, was seinen Ruf als der größte und
schlimmste Schläger anging. Aber als Mr. Contreras endlich zustimmte, auf
Notwehr zu plädieren, gab auch er nach.
    Während der Unterredung mit den anderen sechs vor der
Praxis Festgenommenen mußte ich das Zimmer verlassen. Nachdem der Wachtmeister
Mr. Contreras und Sokolowski wieder in ihre Zelle gebracht hatte, suchte ich
nach Lieutenant Mallory. Mallory war nicht da, dafür aber Rawlings Kollege
Detective Finchley. Er war ein großer, schlanker Schwarzer und stand höflich
auf, als ich eintrat.
    „Freut mich, Sie zu sehen, Ms. Warshawski. Was ist
mit Ihrem Gesicht

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