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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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den
aktuellen Bestseller, und dann war ich bereit, mir im besten Provinzstil die
Zeit bis zum Abend zu vertreiben.
     
    26   Noch einmal Akten
     
    Um elf Uhr abends kehrte ich zum Friendship zurück.
Im Dunkeln wirkte das sternförmige Gebäude wie ein riesiges Seeungeheuer, die
wenigen erleuchteten Fenster wie böse funkelnde Augen. Der Besucherparkplatz
war leer, und ich konnte nahe am Haupteingang, dem Maul der Bestie, parken. Ich
zog Lottys weißen Kittel über und ging hinein, schnell und stirnrunzelnd: Der
um einen Patienten besorgte Arzt, den man besser nicht aufhalten sollte. Es
waren kaum Leute da. Der Informationsstand war nicht mehr besetzt. Ein paar
Krankenpfleger unterhielten sich in einer Ecke. Weiter vorn fegte ein Hausmeister
gelangweilt den Boden. Die hellen Neonlichter, die regelmäßigen Durchsagen
über die Lautsprecher und die leeren Korridore erinnerten mich an O'Hare mitten
in der Nacht. Es gibt keinen verlasseneren Ort als ein menschenleeres Gebäude,
in dem sonst geschäftiger Betrieb herrscht.
    Die Büros von Mrs. Kirkland und Alan Humphries
lagen in der Nähe des Treppenhauses, das zu dem Büro mit den Patientenakten
führte. Die Korridortür, hinter der sich die Büros befanden, war
abgeschlossen. Ich nahm meine Schlüsselsammlung zur Hand, fand nach einigen
Anläufen und einigen Augenblicken voller Panik, während derer ich fürchtete,
daß mich ein Krankenpfleger oder eine Schwester bemerken und ansprechen würde,
den passenden Schlüssel und öffnete die Tür.
    Mrs. Kirklands kleines Büro lag direkt vor mir. Ein
schwarzes Plastikschild mit weißen Schriftzügen verkündete ihren Namen und
Titel: Leiterin des Aufnahmebüros. Ich zog ein Paar von Lottys Handschuhen an
und versuchte aus reiner Neugier, die Tür aufzumachen; sie war verschlossen. An
ihrem Büro vorbei verlief der Flur, an dessen Ende Humphries Büro lag. Rechter
Hand befanden sich zwei weitere abgeschlossene Türen.
    In der Abgeschiedenheit des Korridors entspannte
ich mich; es war nicht schwer, die Tür zu Humphries Büro zu öffnen. Als erstes
betrat ich einen relativ kleinen Raum, der offensichtlich das Büro seiner
Sekretärin Jackie Bates war, mit der ich am Vortag telefoniert hatte. Es war zweckmäßig
eingerichtet mit einem unauffälligen Schreibtisch, einem Computer und einem
Kopiergerät. An der Wand standen Aktenschränke. Sollte Consuelos Akte nicht in
Humphries' Zimmer sein, müßte ich wohl oder übel alle Schränke hier
durchsuchen.
    Die Tür zu Humphries' Allerheiligstem war aus
massivem Holz. Nachdem ich sie geöffnet und sein Zimmer betreten hatte, hatte
ich das Gefühl, mich im ökonomischen Herzen des Krankenhauses zu befinden.
Anstatt auf dem üblichen Linoleumboden stand ich auf echtem Parkett. Darauf
lag ein Teppich, dem Aussehen nach zu urteilen ein Perser, der groß genug war,
um den Eindruck zu vermitteln, daß er eine ganze Menge gekostet hatte, aber
nicht groß genug, um das Parkett völlig zu bedecken. Quer auf dem Teppich
thronte ein großer alter Schreibtisch mit einer Auflage aus weichem roten Leder
auf der Platte, Füße und Schubladen waren mit goldenen Intarsienarbeiten
verziert. Vorhänge aus Brokat hingen vor den Fenstern, die auf den Parkplatz
hinausgingen.
    Zu meiner Erleichterung waren die
Schreibtischschubladen nicht verschlossen; hätte ich sie aufbrechen müssen,
wäre eventuell das schöne alte Holz beschädigt worden. Ich setzte mich in den
bequemen Ledersessel und durchsuchte nacheinander alle Schubladen, darum
bemüht, Ordnung und Reihenfolge des Inhalts beizubehalten. Beim Durchsuchen
keine Spuren zu hinterlassen, ist für jemanden, der so schlampig ist wie ich,
wahrscheinlich der schwierigste Teil der Detektivarbeit.
    Consuelos Akte war nicht unter den Papieren, aber
ich fand Unterlagen über Organisation und Besitzverhältnisse des Krankenhauses.
Daneben lag eine Mappe mit der Aufschrift: „Monatliche Rechenschaftsberichte.“
Ich nahm beide Mappen und war versucht, sie einfach zu stehlen, aber die Tugend
triumphierte, und ich ging in Jackies Vorzimmer und schaltete das Kopiergerät
an. Während ich wartete, daß es betriebsbereit wäre, fiel mein Blick auf einen
unauffälligen, hölzernen Aktenschrank, der hinter Humphries' Schreibtisch in
die Wand eingebaut war. Er war verschlossen, aber wie alle
Friendship-Schlösser leicht zu knacken. In Schaumburg, wo man nicht damit
rechnet, beraubt zu werden, war Detektivarbeit ein Kinderspiel.
    Consuelos Akte lag in der obersten

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