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Tödliche Therapie

Tödliche Therapie

Titel: Tödliche Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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Original zu stehlen und
das Risiko einzugehen, daß Peter es vermissen würde, oder mich im Gang an den
Kopierer zu stellen auf die Gefahr hin, daß eine Schwester oder ein Arzt
vorbeikam und mich fragte, was ich dort zu schaffen hätte. Ich entschied mich
für das Kopiergerät.
    Ich holte den Schlüssel der Sekräterin, löschte das
Licht und trat auf den Flur hinaus, ohne die Türen abzusperren. Kein Mensch
weit und breit. Ich ging zum Kopiergerät und fand nach langem Suchen das
Schloß, in das der Schlüssel paßte und startete die Maschine. Ein Kopiergerät
braucht fünf Minuten oder länger, bis es funktionsbereit ist. Ich wollte die
Zeit nutzen und suchte nach einer Toilette. Als ich endlich eine gefunden
hatte und gerade die Tür aufmachen wollte, hörte ich jemanden die Treppe heraufkommen.
Ich konnte nicht zurück, um das Gerät auszuschalten; genausowenig wollte ich
mit einem Stapel Friendship Unterlagen in der Hand auf dem Flur entdeckt
werden. Ich betrat die Toilette, ohne das Licht anzumachen. Jemand ging an der
Tür vorbei und den Korridor entlang; den schweren Schritten nach zu urteilen,
ein Mann. Ich öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte hinaus. Es war Peter.
Warum um alles in der Welt kam er um diese Zeit ins Krankenhaus?
    Ich beobachtete gespannt, wie er seinen Schlüssel
ins Schloß steckte. Er drehte ihn um, aber die Tür öffnete sich nicht; er
runzelte die Stirn, drehte den Schlüssel wieder zurück und betrat sein Büro.
Ich sah, wie das Licht anging. Ich wartete. Würde er den Sicherheitsdienst
rufen, wenn er bemerkte, daß die Tür zu seinem Zimmer ebenfalls nicht
verschlossen war? Zweimal ging ich im Geiste „Batti, batti“ aus Don Giovanni
durch - dazu brauchte ich zehn Minuten. Nichts passierte. Ich ignorierte den
Drang, der mich die Toilette hatte aufsuchen lassen, und schlich den Gang
entlang zum Kopiergerät, zog den Schlüssel heraus, lief die Treppe hinunter,
hastete zum Haupteingang, stieg in Lottys Auto und umkreiste das Gebäude so
lange, bis ich den Parkplatz für das Personal gefunden hatte. Er war voll
besetzt mit den Wagen der Angestellten, die Nachtdienst hatten. Ich hielt in
einiger Entfernung an und ließ die Ausfahrt nicht aus dem Auge. Endlich, um
drei Uhr, sah ich Peters Wagen herausfahren. Ich folgte ihm, bis ich sicher
war, daß er nach Hause fuhr.
    Ich war schweißgebadet. Du wirst es nie lernen,
sagte ich mir. Warum trägst du in der Sommerhitze Seidenblusen? Mittlerweile
war es mir egal, ob mich jemand beobachtete. Ich steuerte schnurstracks auf
das Kopiergerät vor Peters Büro zu. Niemand war zu sehen. Ich steckte den
Schlüssel ins Schloß und startete die Maschine. Als das grüne Zeichen
aufleuchtete, kopierte ich die Papiere, verstaute die Kopien in meiner Mappe
und brachte die Originale in Peters Büro zurück. Als ich die Schlüssel wieder
an ihren Platz legte, sah ich, warum Peter ins Büro gekommen war: die Arbeit
für die Tagung über die Behandlung von Fruchtwasserembolien. Auf dem
Schreibtisch seiner Sekretärin lag ein Zettel mit seiner unleserlichen Handschrift:
„Kann jetzt gesetzt werden; Diaformat 35 mm. Tut mir leid, daß es wieder auf
den letzten Drücker ist.“ Die Tagung sollte am nächsten Freitag stattfinden -
seine arme Sekretärin hatte noch zwei Tage, um seine Dias zusammenzustellen.
    Ich packte ein paar der bunten Broschüren ein, die
herumlagen und verschloß sorgfältig die Türen hinter mir. Es war höchste Zeit
für einen Whiskey, ein Bad und ein Bett. Ich fand ein Hotel in der Nähe des
Tollways, das mir auch noch um diese Zeit meine drei Wünsche erfüllte. Bis ich
vom Badewasser völlig aufgeweicht war, hatte ich auch den Whiskey ausgetrunken.
Übung macht den Meister, wenn es aufs Timing ankommt. Ich ließ mich zufrieden
nach getaner Arbeit ins Bett fallen und schlief sofort ein.
     
    27   Aktenstudium
     
    Um elf wachte ich auf, ausgeschlafen und entspannt.
Ich blieb noch ein paar Minuten in dem riesigen Bett liegen, streckte mich und
genoß die wohlig faule Stimmung. Man sagt, die Tatsache, ein kriminelles
Unterfangen erfolgreich zu Ende gebracht zu haben, zieht oft diese Gefühle
nach sich. Die Leute, die ich vor Gericht verteidigt habe, waren nicht
erfolgreich, deshalb kannte ich das Gefühl bislang nicht einmal aus zweiter
Hand.
    Schließlich stand ich auf und ging ins Badezimmer,
dessen Wände von oben bis unten verspiegelt waren. Sie boten mir den nicht
gerade schmeichelhaften Anblick eines rundlichen Bauches

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