Tödliche Unschuld
Er hatte einen teuren Geschmack, und seine Geschäfte liefen ziemlich gut, aber verdammt, es hat ihm nicht genügt. Was hat er also getan?«
»Sich mit Erpressung was hinzuverdient.«
»Treffer.«
»Also gut, dann hat er nebenher noch ein, wie es aussieht, äußerst profitables Nebengeschäft betrieben. Aber was hat das alles mit deinem Fall zu tun?«
»Bei meinem Fall geht es um Mord. Erpressung war schon immer ein beliebtes Mordmotiv. Er wurde von den Reinheitssuchern umgebracht - und vielleicht hat ja ein Mitglied dieser Truppe zu seinem Kundenkreis gehört. Sicher hat er die Daten seiner Kunden irgendwo aufbewahrt, wo er leicht herankam. Wir könnten uns bei den Banken umhören, ob er irgendwo ein Schließfach angemietet hatte. Möglicherweise hat er die Sachen ja sogar in seiner Wohnung aufbewahrt. Ich sehe mir die Wohnung auf jeden Fall noch einmal an.«
»Hättest du dabei vielleicht gerne Gesellschaft?«
»Zwei könnten sich dort gewiss schneller umgucken als einer allein.«
Selbst wenn er davon ausging, dass sie ihre Zeit vergeudeten, diente das Abschneiden von losen Fäden eventuell der Konzentration auf das, was wirklich wichtig war.
Außerdem hatte er nicht die Absicht, sie allein an einen Ort zurückkehren zu lassen, an dem sie schon einmal in die Alpträume aus ihrer Kindheit zurückgeworfen worden war.
Er wartete, bis sie das Polizeisiegel gelöst und das Schloss geöffnet hatte.
Die Luft roch nach wie vor nach Tod. Das war das Erste, was ihm auffiel, als er mit ihr zusammen über die Schwelle trat. Der grässliche Gestank wurde vom Geruch der Chemikalien, die die Spurensicherung verwendet hatte, nur unzulänglich überdeckt.
Rote Flecken, Spritzer, Bäche hoben sich als Zeugnisse des Grauens vom Weiß der Wände, Teppiche und Möbel ab. Er konnte deutlich sehen, wo Hannah gefallen, wo sie in Todesangst gekrochen und wo sie gestorben war.
»Mein Gott, wie hältst du das nur aus? Wie kannst du dir solche Dinge ansehen, ohne dass du zusammenbrichst?«
»Dadurch, dass ich wegsehe, mache ich es nicht ungeschehen. Und wenn man zusammenbricht, ist es um einen geschehen.«
Er berührte sie am Arm. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass er laut gesprochen hatte, doch jetzt fragte er: »Musstest du das alles jetzt noch einmal sehen? Musstest du es noch einmal über dich ergehen lassen, um dir zu beweisen, dass du es erträgst?«
»Vielleicht. Doch wenn das alles so wäre, wäre ich alleine hier. Das zweite Gäste- und das Arbeitszimmer sind dort drüben. Wir haben bereits die gesamte Wohnung gründlich auf den Kopf gestellt, doch wir haben halt nicht nach einem Versteck gesucht. Das tun wir jetzt gezielt.«
Sie schickte Roarke ins Gästezimmer und ging selbst in das Büro. Sie hatten die Computer mit ins Labor genommen und sich nicht nur den Schreibtisch, sondern auch den Wandschrank bereits genauestens angesehen.
Trotzdem prüfte sie noch einmal alles gründlich. Es gab einen Safe, der von einem der Männer der Spurensicherung geöffnet worden war. Sie hatte nichts Unübliches darin entdeckt. Etwas Bargeld, ein paar Papiere und Disketten, weiter nichts.
Doch es war nicht genug Bargeld gewesen, war ihr inzwischen klar. Bei weitem nicht genug. Falls in den letzten Tagen drei Kunden zu ihm gekommen waren - davon mindestens zwei, nachdem sich Greenes Symptome bereits verschlimmert hatten -, wo war dann die Bezahlung?
Hatte er vielleicht Hannah Wade mit dem Geld zu einer Bank geschickt? Nein, sicher nicht. Vielleicht ging man mit einem Teenager ins Bett, vielleicht verkaufte man ihn seinen Kunden, aber man drückte ihm bestimmt kein Bargeld in die Hand.
Sie nahm zwei Gemälde von der Wand und suchte nach lockeren Paneelen.
»Das Gästezimmer ist sauber«, erklärte ihr ihr Mann.
»Er hat garantiert einen zweiten Safe. Ein zusätzliches Versteck. Und das Arbeitszimmer ist dafür der logische Ort.«
»Vielleicht ist er zu logisch. Schließlich sieht man hier als Erstes nach, oder etwa nicht?«
Sie hielt im Abklopfen der Wände inne, setzte sich auf ihre Fersen und wollte von ihm wissen: »Wenn das hier deine Wohnung wäre, wo hättest du dann ein Versteck?«
»Wenn ich das Geschäftliche mit dem Vergnüglichen verbinden wollte, wie es offenbar bei ihm der Fall gewesen ist, dann in meinem Schlafzimmer.«
»Okay, versuchen wir es dort.«
Sie ging voran, blieb in der Tür des Raumes stehen und sah sich erst mal um.
»Geschmack hat offenbar nicht zwingend was mit Geld zu tun, nicht wahr,
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