Tödliche Unschuld
dass es, wenn es einen richtig falsch erwischt, zu dauerhaften Schäden führen kann. Verdammt, er ist gerade mal sechsundzwanzig. Hast du das gewusst?«
Ihr Magen zog sich zusammen. »Nein. Hab ich nicht.«
»Seine Eltern sind in Schottland. Sie verbringen die meisten Sommer dort. Eigentlich wollten sie sofort zurückkommen, aber das hat er ihnen ausgeredet. Ich glaube, er hat Angst davor, dass sie ihn in diesem Zustand sehen. Außerdem hat er Angst davor, dass vielleicht ein Teil des Schadens bleibt.«
»Wenn wir ihn das spüren lassen - wenn wir selbst so denken -, helfen wir ihm gewiss nicht.«
»Ich weiß. Ich sehe die ganze Zeit Halloway vor mir. So wie er ausgesehen hat, als er gestorben ist.« Er atmete hörbar aus. »Ich musste mit seiner Familie sprechen. Ich hatte keine Ahnung, wie zum Teufel ich ihnen das erklären sollte. Und den verdammten Journalisten, meinen eigenen Leuten - meinen Kindern. Ich habe einfach keine Ahnung, was ich ihnen sagen soll.«
»Feeney. Du hast Schlimmes durchgemacht. Es ist etwas anderes, als wenn es einen draußen auf der Straße im Rahmen eines Einsatzes erwischt. Du solltest mit dem Polizeipsychologen reden.« Sie zuckte zurück, als sie seinen Blick auffing. »Ich weiß, dass das aus meinem Mund ziemlich idiotisch klingt. Aber, verdammt, du warst eine Geisel, einer deiner eigenen Männer hat dir eine Waffe an den Hals gedrückt. Du hast mit ansehen müssen, wie er gestorben ist. Wenn dich das nicht durcheinanderbringt, was dann?
Deshalb solltest du mit unserem Psychologen sprechen oder mit Doktor Mira. Ich an deiner Stelle würde zu Doktor Mira gehen. Wenn du sie darum bittest, führt sie bei euren Gesprächen sicher nicht mal Protokoll.«
»Ich will mich weder ausheulen noch will ich, dass mir jemand in den Schädel glotzt«, erklärte er knapp. »Ich will arbeiten, sonst nichts.«
»Okay.« Sie selber hatte bereits oft genug genauso reagiert, und so insistierte sie nicht weiter. »Wir werden jede Menge Arbeit haben. Vorläufig würde ich die Ermittlungen lieber von hier aus leiten, wenn du nichts dagegen hast. Und ich hätte gerne Cogburns Computer hier. Das Erste, was wir tun müssen, ist, irgendeinen Schutzschild oder einen Filter zu entwickeln, damit man ihn gefahrlos auseinandernehmen kann. Bis wir einen solchen Filter haben, rührt niemand die Kiste an.«
»Und wovor soll der Filter schützen? Wie sollen wir den passenden Schild entwickeln, solange wir nicht wissen, wovor er schützen soll?«
»Das ist ein Problem. Aber ich gehe davon aus, dass du und der zivile Berater, dessen Hinzuziehung du schon beantragt hast, eine Lösung findet.«
Beinahe hätte er gelächelt. »Habe ich mir’s doch gedacht, dass dich das kratzt. Aber du weißt, verdammt noch mal, genauso gut wie ich, dass er der Beste ist.«
»Dann schick ihn an die Arbeit und entwickelt gemeinsam diesen Schild.« Sie stand auf.
Es fühlte sich eigenartig, aber zugleich richtig an, als sie zu seinem Sessel ging und sich vor ihn hockte, sodass sie auf gleicher Augenhöhe mit ihm war.
»Fahr nach Hause, Feeney. Trink ein Bier, sprich mit deiner Frau. Sie ist die Frau eines Polizisten und gut im Wegstecken. Aber trotzdem wird es ihr erst besser gehen, wenn sie dich mit eigenen Augen sieht. Und dir wird es dann ebenfalls besser gehen. Ich brauche dich für die Ermittlungen. Aber ich kann dich absolut nicht brauchen, solange du nicht wieder völlig auf dem Posten bist.«
Sie verstanden sich auch ohne Worte. Und so meinte Feeney, nachdem er sie einen Moment lang schweigend betrachtet hatte: »Die Kinder heutzutage bilden sich ein, sie wüssten alles besser.«
Er nahm ihre Hand, drückte einmal zu, stand auf, verließ den Raum - und fuhr heim zu seiner Frau.
Sie nahm eine Minute in dem Sessel Platz, legte ihre Hände kurz dorthin, wo seine Hände gelegen hatten, stand dann wieder auf und setzte sich seufzend an den Schreibtisch.
Sie rief Cogburns Daten und dann die Personalakte von Halloway auf ihrem Computer auf. Während sie darin eine mögliche Verbindung zwischen den beiden Männern suchte, klingelte ihr Link.
»Dallas.«
»Ich habe einen Fall, der Sie wahrscheinlich interessieren wird.« Baxters Gesicht füllte fast den gesamten Bildschirm aus, doch hinter ihm sah sie die Bewegungen und hörte die Stimmen der Leute von der Spurensicherung.
»Ich habe bereits einen Fall und kann keinen zweiten übernehmen. Kümmern Sie sich also selbst darum.«
»Den hier werden Sie garantiert übernehmen
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