Tödliche Unschuld
in einem Zug.
»Ein toter Päderast. Hat sich selbst die Kehle aufgeschlitzt. Vorher ist er völlig durchgedreht und hat aus seiner eigenen schicken Wohnung ein regelrechtes Trümmerfeld gemacht. Bestimmt wird Morris starken Druck im Schädelinneren bei ihm finden.
Auf dem Bildschirm des Computers stand wieder dieser blöde Reinheits-Satz.«
»Nur auf dem Bildschirm eines einzigen Geräts?«
»Das kann ich noch nicht sagen. Sie schicken sämtliche Geräte her. Ich muss rausfinden, auf welchem Weg diese bescheuerte Nachricht dort gelandet ist. Und wie sie dafür sorgt, dass der Schädel eines Menschen so weit anschwillt, dass er schließlich platzt.«
»Und das Warum ist dir egal?«
»Reinheit«, meinte sie und nahm auf seiner Schreibtischkante Platz. »Es geht darum, jeglichen Schmutz zu entfernen und vollkommene Reinheit zu erzielen. Die Welt ist ohne diese Typen eindeutig besser dran«, wiederholte sie Baxters Kommentar.
»Dann haben wir es also mit einer Art technisch hochversierter Bürgerwehr zu tun.« Er nickte. »Halloway war schlicht und einfach ein unschuldiges Opfer dieses Krieges. Die beiden anderen Opfer aber haben Kinder korrumpiert.«
»Ja, sie waren Abschaum einer besonders widerlichen Art.«
»Trotzdem trittst du für sie ein.«
»Richtig. Ich werde mich als Erstes mit den bekannten Opfern meiner Opfer befassen müssen. Kinder, oder vielleicht eher Verwandte von den Kindern, die ausgeprägte technische Fähigkeiten besitzen. Vielleicht stoßen wir dabei ja auf jemanden, dessen Kind nicht nur von Cogburn, sondern auch von Fitzhugh geködert worden ist.«
»Chadwick Fitzhugh?« Roarke griff nach seinem Becher, runzelte die Stirn und ging zum AutoChef. »Schleimiger Pisser.«
»He, nur weil ich deinen Kaffee getrunken habe, brauchst du mich nicht derart zu beleidigen.«
»Ich meine Fitzhugh. Dieser selbstgefällige Schweinehund hat sich an kleine Jungs herangemacht. Jemand hätte ihm schon längst mit einem Messer an die Gurgel gehen sollen.«
»Ich nehme an, du kanntest ihn.«
»Gut genug, um ihn in jeder Hinsicht widerlich zu finden.«
Bei der Beschreibung Fitzhughs hatte Roarke einen völlig anderen Ton und einen völlig anderen Blick als vorher ihr Kollege Baxter. Hinter der melodiösen Stimme, hinter der Fassade eisiger Beherrschung verbarg sich die Bereitschaft zu brutaler Gewalt.
»Er stammt aus einer alten, äußerst wohlhabenden Familie. Viel zu fein, um mit jemandem wie mir Geschäfte zu machen. Obwohl sie es getan haben«, fügte er hinzu und wandte sich ihr wieder zu. Seine Miene war eiskalt. Es war die Miene eines Kriegers, dachte sie. »Bis mir zu Ohren kam, was offensichtlich eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen dieses aufgeblasenen Wichtes war. Dann war ich derjenige, der die Geschäftsbeziehungen zu dieser Sippe beendet hat. Selbst ein Gassenjunge aus Dublin braucht gewisse Standards.«
»Es ist eine Sache, keine Geschäfte mehr mit ihm zu machen. Dazu gratuliere ich. Aber ihn zu töten ist etwas völlig anderes.«
»Er hat sich also die Kehle aufgeschlitzt?« Er trank einen Schluck von seinem frischen Kaffee. »Meiner Meinung nach wäre es passender gewesen, wenn er sich erst die Eier abgeschnitten hätte. Aber das Leben ist nun einmal kein Gedicht.«
Jetzt wurde ihr eiskalt. »Niemand hat das Recht, ohne ordnungsgemäßes Verfahren über jemand anderen zu urteilen und sich dann selber die Kapuze des Henkers überzuziehen.«
»Es gibt Zeiten, Lieutenant, in denen mir diese Sicht der Dinge nicht ganz passt. Hier, trink du meinen Kaffee. Ich glaube, ich genehmige mir zur Feier von Fitzhughs Ableben doch lieber einen Drink.«
Er trat vor die Bar und prüfte nacheinander die dort liegenden Flaschen teurer Weine.
»Falls das deine Sicht der Dinge ist, kann ich dich bei meinen Ermittlungen nicht brauchen.«
»Es ist meine Sicht der Dinge.« Er wählte einen guten Cabernet. Einen außergewöhnlich guten Cabernet. »Aber das heißt nicht, dass ich dir nicht helfen kann und will. Verlang nicht von mir, um ihn zu trauern. Dann verlange ich auch nicht von dir, froh über seinen Tod zu sein.«
Sie hatten schon vorher auf verschiedenen Seiten gestanden, dachte sie. In diesem Fall jedoch befanden sie sich auf äußerst unsicherem Terrain. »Was auch immer er getan hat, was auch immer er für ein Schwein gewesen ist - es hat ihn jemand ermordet. Das ist nichts anderes als einen Mann zu lynchen oder ihn an eine Wand zu stellen und mit Kugeln zu durchlöchern. Aber nicht
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